Produktion

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"Ja - schon besser."
Unrah stemmte beide Arme in die Hüfte und nahm eine herausfordernde, kecke Haltung an. Zufrieden musterte sie ihr Bild im Spiegelfeld.

"Oder so ..."
Sie setzte das linke Bein einen kleinen Schritt vor und ließ die linke Hand auf den Ansatz des Oberschenkels rutschen. Der seitliche Schlitz des knielangen Rockes gab dem Blick - und der Phantasie - freien Raum.

"Oh ja - noch besser."
Unrah lächelte. Männer sind ja so einfältig in solchen Dingen, dass es fast weh tut.

Eine herrische Kopfbewegung warf das flammend rote Haar zurück. Passend zu der komplett in Silbertönen gehaltenen Kombination wählte Unrah eine Haarspange, die ihre Löwenmähne bändigte - und deren biometrische Mikroelektronik ihr ein phantastisches Personengedächtnis ermöglichte.

"Dann wollen wir mal."
Die Intaki - Imperial Magnate im Auftrag der X-Trading Company und damit Bereichsleiterin für die Produktions- und Handelsaktivitäten der Gesellschaft in diesem Imperium - strich noch einmal das Oberteil glatt, griff zum Memopad und ging zur Tür ihres Luxusappartements. An der Tür blickte sie sich noch einmal um - eine alte Gewohnheit - und kontrollierte Sauberkeit und Ordnung des Raums. Mit zufriedenem Nicken wandte sie sich zum Gehen - die Abteilungsleiter warteten auf sie.


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Kosh beobachtete die weite Halle vor sich. Zentraler Blickfang war eine in Bronze und Aluminium schimmernde VEXOR, die heute zur Endmontage heranstand. Ihr Rumpf füllte den Hangar fast vollständig aus. Arbeitsbühnen waren in mehreren Ebenen aus den Wänden geschoben worden, um alle Ebenen des Schiffes erreichen zu können.
Schon seit zwei Tagen waren die Maschinen eingebaut, die gesamte Inneneinrichtung, Sensorik und Elektronik waren montiert und geprüft. Heute standen nur noch Dichtigkeitsprüfungen auf dem Arbeitsplan. Danach würde das Schiff einen Werkstattflug für die Endabnahme machen und anschließend auf seinem Liegeplatz auf die Abholung durch den Kunden warten.

Ein melodischer Akkord erklang leise von der Tür. Die Sensorik hatte eine Person erfasst, die sich dem Büro des Montageleiters näherte. Kosh drehte sich um.
"Hallo Mila, was kann ich für dich tun?"

Die Angesprochene betrat das Büro und reichte Kosh die Hand.

"Guten Morgen, Kosh. Bevor sie zur Besprechung gehen sollten Sie noch mal einen Blick auf die Lagerbestände werfen. Wir kommen besonders im Bestand der Grundmineralien an die Bestellgrenzen."

"Ich habe es im ControllingVisual gesehen, Mila. Wenn ich die Zahlen richtig interpretiere, ist aber noch für mindestens 6 Schiffe der VEXOR-Klasse genug im Lager."

Kosh drehte sich mit dem Sessel um und aktivierte das Holodisplay. Mit wenigen Fingerzeigen ließ er sich den Lagerbestand anzeigen.

"Achten Sie auf den Bestand an Tritanium und Pyerite. Das Zeugs wird dermaßen stark verbaut, dass wir schon wieder an der Grenze sind. Diesmal gibt es aber ein Problem. Unser Broker hat bisher keinen Asteroiden-Bergmann gefunden, der noch genug auf Lager hat. Uns fehlen über zwei Million Einheiten Tritanium und 1 Million Einheiten Pyerite."

"Hmm ... und wie ist die Auftragslage?"
Eine Handbewegung brachte ein neues Menü auf den Bildschirm. Kosh wählte den Bestelleingang.
"Ja - sieben VEXOR. Sie sagten fünf schaffen wir?"

Mila wiegte den Kopf.
"Nein - lieber nicht. Bleiben wir auf der sicheren Seite, um keine Kunden zu verprellen. Ich schlage vor, vier Aufträge zu bestätigen. Die anderen erst dann, wir eine gesicherte Mineralquelle haben."

"Gut. Ich werde entsprechend vortragen. Mal sehen, was der Lady Boss an Verbindungen spielen lässt."


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"... und aufgrund dieses Dossiers meines imperialen Agenten erwarte ich weitere Aufträge für uns. Der Einsatz gegen die neue Piraten-Organisation wird ganz sicher zu Schiffsverlusten führen. Des weiteren erwarte ich, dass binnen 72 Stunden die Munitions- und Raketenlager aufgefüllt werden."

Unrah wendete sich Kosh zu. Ihre grünen Augen fixierten den Produktionsleiter.
"Ich hatte eine Arbeitskopie der Hammerhead-Drohne für unsere dritte Produktionsstrasse angefordert. Sie hatten bisher keinen Eingang zu vermelden, Kosh?"

Kosh aktivierte das kleine Feldmikro:
"Nein, Ma´am. Bisher erfolgte keine Zuweisung seitens der zentralen Kopierstelle. Sobald sie eintrifft werde ich Sie benachrichtigen."

"Gut, danke Kosh."
Unrah machte einen Eintrag auf dem Notepad.

"Meine Damen und Herren, damit ist die heutige Einsatzbesprechung beendet. Gibt es Ihrerseits weitere Anmerkungen?"

Leises Murmeln der Gesprächsrunde setzte ein. Kosh hob die Hand.

"Ja, bitte?"
Unrah nickte Kosh zu.

"Ma´am, wir haben in etwa 4 Tagen einen Unterbestand an Tritanium und Pyerite. Das würde bedeuten, dass wir drei Aufträge verlieren könnten. Zur Zeit sehe ich keine Lösung, da unser Broker ebenfalls nicht liefern kann."

Unrah schüttelte leicht den Kopf. Ihre schmalen Augen schlossen sich noch Idee weiter.
"Nein, Kosh, wir werden keinen Auftrag verlieren."
Sie lächelte.
"Aber danke für die Warnung, ich werde versuchen, Ihnen einen Minerallieferanten zu besorgen."


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"... ein Problem? Ich denke nicht. Bleib mal dran, bitte ..."
JohnBe wandte sich von der Kamera ab und tippte eine kurze Sequenz in die Direkteingabe des ComTerminals.
"Ich versuche mal eine Konferenzschaltung mit Hilli."

Auf dem Bildschirm wurde Unrah´s Portrait nach links verschoben und Hilli, der Leiter der X-Academy wurde eingeblendet. Als er JohnBe erkannte, lächelte er kurz.
"Ah, der Herr der Finanzen - und Unrah - hallo. Was gibt´s denn John? Hat ein Flugschüler das Hangartor von Unrah´s Fabrik demoliert?"

JohnBe lachte und Unrah lächelte maliziös.
"Nein, nein, Hilli. Diesmal nicht. Unrah gehen die einfachen Mineralien aus. Tritanium und Pyerite vor allem. Wann steht denn bei Euch wieder Mining auf dem Lehrplan?"

"Moment mal ..." Man konnte sehen, dass Hilli irgendwelche Daten auf dem Holovisor abrief. Dann wandte er sich wieder dem Objektiv zu.
"Ja ... also eigentlich Donnerstag, das wäre in drei Tagen. Deine Frage klingt danach, dass wir für Unrah´s Tradepost abbauen sollen?"

"Ja, Hilli," schaltete sich Unrah ein, "wir haben noch 4 Tage sicheren Lagerbestand. Dann wird´s eng. Wäre gut, wenn Du mit der Akademie zum Powermining vorbeischauen könntest. Ich selbst bin dann mit ´ner Indu vor Ort."

"Abgemacht, " nickte Hilli, "ich melde mich Donnerstag mit ´ner Horde Academy-Schüler zum Baggern. Such´ schon mal den Belt aus. Ich bringe übrigens einen Ausbilder der DEFENCE mit. Zwei Anwärter haben zwar kleine Kampffregatten, aber sicher ist sicher."

"Danke Hilli - cu," rief John und unterbrach die Frequenz.
"Unrah - öfter mal was Neues. Warum nicht die Akademie zum allgemeinen Nutzen einspannen. Egal wie es läuft, sag´ mir auf jeden Fall Freitag mal Bescheid über die Aktion."

Unrah nickte.
"Alles klar, John, mach´ ich. Danke und Ciao bis Freitag."


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Unrah empfand den Anblick immer wieder als etwas ganz besonderes.

Sie stand neben dem Schreibtisch von Kosh im Kommandostand der Endfertigung, dicht vor dem Armorplastfenster. Vor ihr schwebte zum ersten Mal in "ihrem Leben" eine nagelneue VEXOR aus eigener Kraft, gehalten von starken Anti-Gravitationsfeldern. Noch waren die Triebwerke abgeschaltet und nur die Navigationsleuchten und Anti-Kollisionsblitzlichter zeigten, dass das Raumschiff zum Leben erwacht war.

Kosh überprüfte noch einmal den Verschlusszustand der Innenschleuse. Dann beugte er sich vor:
"XT-VEXOR zum Werkstattflug freigegeben."

"Bestätigte: Freigegeben zum Werkstattflug. Prüfgruppe meldet Flugbereitschaft."

Kosh nahm ein paar Schaltungen vor. Ziemlich rasch erlosch die Innenbeleuchtung des Hangars. Die grellrote Warnlampe der Außenschleuse erzeugte irrlichternde Reflexionen auf den Hangarwänden. Langsam schoben sich die Flügeltore des Hangars zur Seite, einige Sterne wurden sichtbar.
Dann war es soweit. Mit dem Umspringen des Warnlichtes auf Grün wurde der Schleusenrand durch gelbe Markierungslinien deutlich sichtbar.
Und die VEXOR bewegte sich.
Zwei modulierte Richtmagnetfelder in Boden und Decke zogen das Tausende Tonnen schwere Schiff mit sanfter Beschleunigung vorwärts, warfen es sozusagen aus dem Hangar.

Das Warnlicht wechselte zurück auf 'Rot'. Unrah konnte die treibende VEXOR durch die sich langsam schließenden Schleusentore noch deutlich sehen. Und endlich ... jetzt zündeten die Haupttriebwerke; schossen die blauen Flammenzungen hochverdichteter, ionisierter Gase aus den Schubrohren; ruckte die VEXOR an und sprang förmlich vorwärts in ihr Element ... den freien Weltraum.

© Johannes Zumbansen
aka: JohnBe (2001-2007)