Editorial: Ein Mitspieler hat mich gefragt, was aus der rothaarigen Schamanin geworden ist, die am Ende der Story "Jagd" erwähnt wird.
Nun, ich habe mich bei den Behörden des Kaiserreichs erkundigt und ihr File in der Verbrecherkartei, Sektion Fremdrassen, gefunden ...
"Mist, verdammter!"
Mit leichtem Knirschen rutschte der Schraubenschlüssel ab und landete klirrend auf dem "Boden". Die etwa 30-jährige Frau mit feuerroten, über die Schultern fallenden Haaren, warf sich lang hin und rührte sich nicht. Nach einigen Minuten hob sie langsam den Kopf und spähte über den Rand des zylindrischen Tanks in die Runde.
Niemand zu sehen. Der diensthabende Maschinist - ebenfalls ein Minmatar wie fast die gesamte Belegschaft des Maschinenraums, aber noch kein Mitglied Ihrer Verschwörergruppe - hatte nichts gehört.
Rhynja griff nach dem Schraubenschlüssel und machte sich wieder an die Arbeit. Noch zweimal anziehen und die Schraube saß wieder fest. Ein Bündel fingerstarker Leitungen lief an dieser Stelle - von der linken Seite kommend quer über den Tank hinweg - auf einer Strecke von vielleicht 3 Metern durch den Maschinenraum und verschwand dann wieder in der Wand eines Nebenraumes. Dass das Bündel hier 8 Leitungen umfasste, aber nur 7 Leitungen zum Maschinenraum führten, konnte man ohne genauere Prüfung nicht erkennen.
"Okay," sagte Rhynja leise zu sich selbst und wischte noch einmal über die Umgebung der Schraube. Ein prüfender Blick - keine Schrammen zu sehen. Fast die Hälfte des VITOC-Antidotvorrates, den die Sklavengruppe für eine Flucht hortete, lagerte hier.
Der Schraubenschlüssel verschwand in einer Tasche des Overalls. Geduckt huschte Rhynja zur Leiter an der Seitenwand des Tanks. Noch auf dem Weg dahin hörte sie die Schotthydraulik auf dem Oberdeck. Noch jemand kam in den Maschinenraum!
"Rhynja!?"
Kurze Pause.
"Rhynja, bist du hier?!"
Die Kommandantin!
"Sie ist im Versorgungsdeck, Madam," meldete der Diensthabende, "sie macht den pre-jump Check der Boosterquerschnittsverstellung. Beim nächsten Sprung verlassen wir das CONCORD-Protektorat und da sollte alles hundertprozentig in Ordnung sein."
Rhynja umklammerte mit Händen und Füßen die Leiter des Tanks und ließ sich nach unten rutschen. Mit angewinkelten Beinen federte sie den Aufprall ab.
"Im Versorgungsdeck," erwiderte Thora, "na gut, ich werde da jetzt nicht hinuntersteigen. Die Hexe soll sich sofort bei mir auf der Brücke melden, wenn sie wieder hochkommt."
Rhynja zog in Richtung der Stimmen eine Grimasse und murmelte etwas Unverständliches.
"Yes, Ma´am" hörte sie den Maschinisten sagen. Schnelle Schritte und das Nachhallen des schließenden Schotts zeigten an, dass die Kommandantin den Maschinenraum verlassen hatte.
"Du wirst Dich noch wundern," dachte Rhynja und lächelte: die Schamanin hatte über "Die Organisation" bereits Kontakt zu einer Minmatar-Kolonie aufgenommen, die ihre Gruppe nach der Flucht verstecken würde. Der bevorstehende Flug außerhalb der Imperiumsgrenzen war vielleicht die Gelegenheit auf die sie lange gewartet hatte.
==========
"Sie haben mich rufen lassen?"
Selbstbewusst und hochaufgerichtet stand Rhynja im dunkelblauen Bordanzug des technischen Personals vor der Kommandantin. Die leuchtorangefarbenen Bisen an den Ärmeln und den Hosenbeinen wiesen auf ihren Sklavenstand hin.
"Ja, ich habe dich rufen lassen, Rhynja."
Lässig saß Thora im Kommandosessel. Die Kommandoempore umlief das hintere Drittel des Leitstandes. Der Platz des Kommandanten war dabei bis zur Mitte in Flugrichtung nach vorn gezogen und von einem halbrunden, flachen Kommandopult umgeben.
Thora hatte die Beine locker übereinandergeschlagen und die Sitzfläche bequem nach hinten geneigt. Langsam drehte sie den Sessel in Richtung Zentralschott.
Rhynja war der einzige anwesende Sklave - auch auf Thoras Schiff wurden Sklaven ausschließlich für niedrige Dienstleistungen und körperlich schwere Arbeit eingesetzt. Niemals würde Thora einem Sklaven eine Führungsaufgabe anvertrauen. Intelligente Tiere mit einer Rangordnung - gezähmt mit einer lethalen Dosis Vitoc, die nur durch ein Antidot an der Wirksamkeit gehindert wurde - die Amarr hatte eine Ethikausbildung an der Kaiserlichen Kriegsakademie durchlaufen und lebte das elitäre Bewusstsein der Führungskaste.
Thora warf den Mantel der Lässigkeit ab und beugte sich vor.
"Machen wir es kurz. Ich traue deinen Leuten nicht, Schamanin."
Thoras eisgraue Augen fixierten Rhynja.
Die zuckte mit keiner Wimper, obwohl ihre Gedanken sich überschlugen. Wer hatte da nicht aufgepasst?!
Obwohl - mehr als einen Verdacht konnte die Kommandantin nicht haben, sonst hätten mit ihr einige Brüder und Schwestern das Schiff schon auf der letzten Klonstation als Biomassenvorstufe verlassen - VITOC wirkte schnell, wenn einem das Antidot verweigert wurde. Und auf Meuterei - Sklavenflucht galt als Meuterei - stand ausnahmslos die Todesstrafe.
Sie legte - Verständnislosigkeit vortäuschend - den Kopf schräg und strich eine rote Strähne aus der Stirn:
"Ma´am?"
"Als Loomz euch auf dem Markt angeboten hat, hast du mich angefleht, die Gruppe nicht zu trennen. Obwohl es gegen jede Vernunft ist, habe ich euch geschlossen gekauft, weil ich ein eingespieltes Team gebraucht habe. Verdammt noch mal - ich hätte es wissen müssen!"
Thora schlug mit der Faust auf die Lehne ihres Sessels.
"Eine Gruppe mit der Schamanin kaufen - mein Tutor hätte mich für so einen Vorschlag von der Akademie geworfen."
Sie sprang auf und blickte von ihrem erhöhten Standort auf Rhynja hinunter.
"Der Sklavenmonitor des Bordcomputers ist auf die erste Warnstufe gesprungen..."
Anklagend und leicht vorgebeugt wies Thora mit dem Finger auf die Schamamin, die immer noch keine Regung zeigte.
"... und du weißt Bescheid, was da läuft."
"Ach was!" fauchte Rhynja und trat einen Schritt auf die Kommandantenempore zu.
Sofort baute sich der Individualschirm des Kommandanten mit einem scharfen Knall um die Empore herum auf. Rhynja wich vor dem flirrenden Energievorhang zurück - und achtete sorgfältig darauf, welchen Bereich der Schirm abdeckte. Auf ihren Wangen und der Stirn formten sich die mystischen Symbole der Heiligen Tattoos einer Schamanin. Die Nano-Tattoos reagierten empfindlich auf mentale Reizzustände ihres Trägers.
Glasklar und unverzerrt kam die Stimme der Kommandantin jetzt aus einem Lautsprechersystem an der Seite der Kommandoempore.
"Dafür wird deine Antidot-Dosis um 25% reduziert."
Thora lächelte kalt hinter dem Energieschirm.
"Morgen sagst du mir, was bei euch läuft. Und jetzt verschwinde."
Ein Kopfnicken der Kommandantin in Richtung Brückenwache ließ den diensthabenden Soldaten vortreten.
"... und angenehmen Schlaf, Schamanin."
Wieder dieses verhasste Lächeln.
Rhynja zitterte innerlich vor Wut. Nur 75% des Antidots, das bedeutete stundenlange Schmerzen und Krämpfe. Wie sie die Amarrianer hasste. Sie hatten ihr Heimatdorf zerstört und die Bewohner verschleppt. Rhynjas Vater war während der Kämpfe umgekommen. Amarr war für sie - und zigtausend anderer Minmatar - ein Synonym für Menschenverachtung, Chaos und Tod.
Mit einer stolzen Kopfbewegung warf Rhynja ihre flammendrote Mähne zurück und wandte Kommandantin Thora den Rücken.
==========
Das heisse Wasser brachte keine Entspannung. Rhynja taumelte leicht und stützte sich an der Wand des Duschraums ab.
Wellen von Kopfschmerzen jagten durch ihr Gehirn, aber jetzt musste sie durchhalten. Nur hier konnte sie sich ohne die Überwachungsschaltungen des Sklavenmonitors misstrauisch zu machen mit den anderen Frauen treffen.
Tonger, mit 42 Jahren die älteste Minmatari an Bord, verließ ihren Duschplatz und stützte die Schamanin.
"Die Dusche wird Sie entspannen, Rhynja," sagte sie laut.
Behutsam massierte sie der Schamanin den Rücken und wisperte: "Waire kommt gleich. Seid zärtlich. Sie wird dir eine Dosiskapsel in den Mund schieben. Einfach drauf beißen und das Zeugs eine Zeit lang im Mund halten."
Rhynja brummte zustimmend.
"Hey, Sindre, komm her, hilf mir der Schamanin die Haare zu waschen," rief Tonger laut einer dritten Frau zu und warf eine Portionspackung Shampoo in ihre Richtung.
"Fyndela und Rayon hatten ebenfalls Schichtwechsel," murmelte sie dabei fast unhörbar, "dann sind alle da, Schamanin."
"Danke, Tonger", seufzte Rhynja und bog wohlig den Rücken wie ein Katze. "Mmmhh, das tut gut."
Sie drehte sich um nahm Tonger in eine lockere Umarmung. Wieder schoss das VITOC einen heißen Schmerz in ihre Nervenbahnen. Rhynja knickte in den Knien ein und Tonger spürte die Krampfwelle durch den nackten Körper in ihren Armen fahren.
Die Schamanin stöhnte leise und legte ihre Stirn auf wie schutzsuchend auf Tongers linke Schulter.
"Morgen früh schlagen wir zu," flüsterte sie - die Lippen auf diese Weise für die auch hier gegenwärtigen Spionageeinrichtungen des Sklavenmonitors nicht sichtbar, "direkt beim Schichtwechsel. Hiermit löse ich Läufer aus. Stichzeit 06:35 Bordzeit."
==========
06:33 zeigten die Ziffern des kleine Zeitgebers an Rhynjas Handgelenk. Überall im Schiff würde in 2 Minuten die Übernahme der Stationen durch ihre Rebellentruppe anlaufen. An Bord waren nur 10 Amarr, aber die galt es alle zur gleichen Zeit auszuschalten.
"Los geht´s", sagte Rhynja zu sich selbst. Sie stand vor dem Zugangsschott der Zentrale und stellte die ComVerbindung her.
"Meldung für die Kommandantin," sagte Rhynja ruhig in Richtung des ComGerätes. Tonger hatte ihr ein spezielles Sedativum gegeben, dass ihre Nano-Tattoos unterdrückte.
"Kommandantin Thora wird erst später erwartet. Wir werden dich rufen," antwortete der Brückenoffizier.
"Die Kommandantin sagte gestern SOFORT," erwiderte die Schamanin. "Es geht um die aufrührerischen Sklaven. Sie könnten ja schon eingreifen und der Kommandantin Erfolge vorzeigen."
Sekundenlang keine Antwort.
Dann fuhr das Schott auf. Rhynja fiel ein Stein vom Herzen: der Zugang zur Zentrale war frei! Die Schamanin betrat den weiten Raum und warf einen schnellen Blick in die Runde: zwei, drei Amarrianer an den Kontrollen, rechts die 2 Stufen zur Kommandoempore, dort der Offizier vom Dienst - hinter ihm ein Wachsoldat mit lässig um den Hals gehängter Waffe, dem man die frühe Uhrzeit ansah.
"Hier sind die Unterlagen, Herr" sagte Rhynja, entfernte den fingerdicken "Markierungsstift" vom Tabletrechner und hielt mit der Linken das Pad in Richtung des Brückenoffiziers. Das Zifferblatt kam in ihr Gesichtsfeld - 06:34! Sorgfältig mit einem Finger tastend vergewisserte sie sich, dass sie die Öffnung des Injektorstiftes in der Rechten korrekt hielt.
"Bring´ Sie her, Hexe" befahl der Brückenoffizier.
Rhynja ging die 2 Stufen hoch - der Sergeant der Wache musterte sie kurz und nickte - machte einen Schritt in Richtung Kommandostand und blieb stehen.
"Das Schirmfeld, Herr" sagte sie, "sie wissen doch, näher darf ich nicht." Das Lächeln auf ihrem Gesicht war einfach umwerfend.
"Na gut," lächelte der Ammarr zurück, stand auf und kam auf sie zu.
Rhynja jubilierte innerlich.
"Komm," dachte sie, "komm ... noch ein Schritt und du bist aus dem Schirmfeld heraus ..."
Wie eingeschüchtert trat sie einen halben Schritt zurück, etwas näher an den Sergeanten heran. Das Pad verdeckte ihre rechte Hand.
Rhynja spürte ihr Herz bis zum Hals schlagen. Jeden Moment musste der Alarm erfolgen. Behutsam entsicherte sie mit dem rechten Daumen den Injektor. Der Sergeant war das letzte Hindernis vor der Kontrolle über das Schiff. Die Schamanin spürte förmlich das Spannungsfeld, das sich durch ihre völlige Konzentration auf die entscheidende Sekunde zwischen ihr und dem Soldaten aufbaute.
Der Amarr war jetzt dicht bei ihr und griff zu dem Pad, auf dem eine Namensliste zu sehen war.
"Großartig, das werde ich nicht vergessen..."
Der durchdringende, auf- und abschwellende Ausbruchalarm des Sklavenmonitors jaulte irgendwo rechts von der Gruppe an einem Kommandopult auf.
Ansatzlos wirbelte Rhynja nach rechts herum - aus der Drehung heraus schoss ihr rechter Arm mit vorgestrecktem Injektor wie ein Degen nach vorn - und traf exakt den Hals des Sergeanten - ein hervorragendes Ziel, da der Soldat aufgeschreckt den Kopf zum Alarmgeber gedreht hatte. Zeitgleich den Schwung zum Schritt ausnutzend war Rhynja auch schon neben dem Soldaten, der gerade, beide Hände zum Hals führend, den ersten, gurgelnden Atemzug nach dem Angriff machte und den umgehängten Laser losließ.
Für einen Sekundenbruchteil sah sie in die weit aufgerissenen Augen - hielt den Kontakt - eine Zehntelsekunde? - und hatte schon mit beiden Händen die kurzläufige Impulsgatling des Sergeants fest im Griff.
Dann beendete die Rückwand der Zentrale Rhynjas Bewegung. Hart schlug sie mit dem Rücken an, rutschte noch ein Stück - und hielt die Waffe jetzt seitenruhig in Richtung Kommandositz. Noch in der Bewegung hatten ihre Augen den Brückenoffizier gesucht, der gefährlich dicht hinter ihr gewesen war. Instinktiv und ohne nachzudenken riß sie den Abzug durch, als sie die Silhouette das Amarrianers wahrnahm, der sich auf sie stürzte, statt in die Sicherheit seines Schirmfeldes zu flüchten. Er war der Einzige an Bord, der die Flucht der Sklaven hätte verhindern können.
Mit hellem, singenden Ton strahlte der Gatlinglaser eine Salve hochenergetischer Kurzimpulse aus, die durch die vorgeschaltete Gammalinse zwar an Reichweite verloren, aber auf Duelldistanz eine enorme kinetisch/thermische Wirkung ins Ziel brachten. Zischend schlugen 5 sonnenheiße Glutnadeln in den Oberkörper des Brückenoffiziers - hinterließen nur kleine, rauchende Löcher in seinem Overall und der Oberhaut - aber zerfetzten die inneren Brustorgane des Amarrianers in Bruchteilen einer Sekunde. Schwer krachte der Körper neben Rhynja zu Boden.
Der Kampf hatte nur 5 Sekunden gedauert und schon sprang Rhynja wieder auf die Beine. Sie hatte jetzt die Zentrale in der Gewalt. Fassungslos starrten 2 Frauen der Brückencrew sie an, der dritte, ein junger Fähnrich, tippte mit fliegenden Fingern auf einer der Kommandokonsolen.
Wieder jaulte die Impulsgatling auf, kürzer diesmal, und der Monitor auf der Konsole des Fähnrichs zerbarst. Der Offizieranwärter sprang von der Konsole zurück und sah sie wutentbrannt an. Rhynja hielt dem Blick stand. Der dunkelrote Zielpunkt des Lasers huschte auf das Gesicht des Fähnrichs und hielt sich zitternd im Bereich des Nasenbeins.
"Sklaventreiber - lass das! Ich will keine weiteren Toten, aber zum Wohle meiner Brüder und Schwestern werde ich schießen, wenn du das noch einmal versuchst!"
Rhynja winkte mit Waffe in Richtung Ausgang.
"Alle die Hände im Nacken verschränken. Und dann raus hier und zwar schön langsam."
Widerwillig befolgten die Amarrianer die Anordnung und gingen in Richtung Zentralschott. Rhynja behielt den Fähnrich im Auge - der junge Offiziersanwärter hatte immer noch einen hochroten Kopf und seine Bewegungen wirkten auf die Schamanin hektisch. Rhynja wusste, wie schwer es dem noch in der Akademie befindlichen Amarr fiel, sich einem Sklaven - und dazu noch einer Frau - unterzuordnen.
"Damit kommst du nicht durch, du ... du Mörderin," platzte es schließlich aus dem Fähnrich heraus und er gestikulierte mit einer Hand, "wir werden dich finden."
Der warnende Ausdruck im Gesicht der Schamanin ließ ihn wieder beide Hände ihm Nacken verschränken.
"Versuch es doch," lächelte Rhynja kühl.
Das leise Summen des Gatlinglasers veränderte sich - wurde höher und lauter. Die Schamanin richtete die Waffe auf die voran gehende Frau.
"Aufmachen" sagte sie mit herrischen Kopfnicken zum Schott.
Die Augen der Kommunikatorin irrten zwischen dem Fähnrich und Rhynjas Waffe hin und her.
Rhynja fixierte die Frau und flüsterte: "Mach - das - Schott - auf!"
Knisternd bauten sich die Schirmfelder der Impulsröhren auf, grelle Vorwärmimpulse jagten durch die vorgeschaltete Gammalinse und brachen vereinzelt auch aus ihr hervor.
Mit einem erstickten Schrei warf sich die junge Frau herum und betätigte den Schottmechanismus. Die Doppeltür sprang nach rechts und links in die Wand und gab den Blick auf den Korridor frei.
==========
"Schamanin, alles in Ordnung?"
Tonger und ihr Lebensgefährte Ayolan lugten um die Ecke.
"Ja - alles klar. Nehmt die beiden Frauen, der Fähnrich bleibt bei mir."
"Geht in Ordnung," erwiderte Ayolan. Sein Blick blieb an dem Impulsblaster hängen, den Rhynja auf den Offiziersanwärter gerichtet hielt.
"Ihr habt eine Energiewaffe, Schamanin? Gebt Sie mir, wenn man sie bei Euch findet, werdet Ihr auf der Stelle erschossen."
"Wird sie sowieso," warf der Fähnrich ein, "und ihr auch. Ergebt euch und ich werde euch am Leben lassen."
"Jo - du Schwätzer. Bis zum nächsten Dock, weil du uns brauchst." Ayolan lächelte mitleidig. "Und dann verdienst du dir eine goldene Nase mit meiner 1A-Biomasse. Mann, für wie blöd hältst du mich?!"
"Lass ihn." Rhynja gab der Kommunikatorin einen Schubs in Richtung Tonger.
"Nehmt sie in Gewahrsam und dann ab zum Hangar. Je schneller wir wegkommen, desto besser für uns."
Die beiden Minmatar nahmen Rhynja je eine der beiden amarrianischen Gefangenen ab. Ihre Waffen waren nur beidseitig geschliffene Stilette aus Panzerplastabfällen mit etwa 10cm langem Klingenteil. Die drückten sie allerdings nachdrücklich direkt hinter dem Kiefer, unterhalb des Ohres, in den Hals der beiden Amarrianerinnen.
"Sitzt gut, Tonger," meinte Ayolan, "etwas nachdrücken, so dass sie den Kopf schräg legen muss. Wenn sie zickt einfach durchstechen. Ist an dieser Stelle absolut lautlos - blubbert nicht mal, weil´s ne Innenwunde ist."
Die Gefangene, die er führte, machte ein nicht identifizierbares Geräusch und Ayolan zwinkerte Rhynja zu. Die schüttelte mit entsagendem Gesichtsausdruck missbilligend den Kopf.
Ayolan grinste übermütig.
Die kleine Gruppe bewegte sich so schnell es ging in Richtung des Hangars des kleinen Schiffes.
==========
"Los, hier hinein."
Rhynja öffnete die Tür des Aufenthaltsraumes neben dem Hangar und bedeutete ihrem Gefangenen hineinzugehen. Hoch aufgerichtet stolzierte der Fähnrich angesichts ihres drohenden Impulsblasters in die provisorische Zelle.
An der Korridorwand standen, die Gesichter zu Wand und jeder unter Kontaktbewachung eines Minmatars, die wenigen Besatzungsmitglieder des amarrianischen Kreuzers. Der unerwartete Überfall hatte sie entweder müde am Ende einer Schicht, oder nach nicht richtig wach zu Schichtbeginn überrascht. Außer den beiden Toten in der Kommandezentrale war es zu keinen Verlusten an Menschenleben gekommen.
Tonger und Rayon verteilten das aus den Verstecken geholte Antidot an die Minmatar - auch durch das heimtückische VITOC würde niemand aus dieser Sklavengruppe zu Schaden kommen - vorerst jedenfalls.
Nacheinander wurden die Amarrianer zur Tür des Aufenthaltsraumes gebracht. Auch Kommandantin Thora war aufgebracht worden. Ihrem Diener war die Wahl zwischen einem ComAnruf und einer Stilettklinge nicht schwergefallen.
"Ich kriege dich, du Miststück," zischte sie, als sie Rhynja passierte, fest im Griff eines riesigen Brutors, der aussah, als habe man ihn auf seinem Heimatplaneten direkt aus einer Gladiatorenshow entführt. Die Ornamente der blauroten Kriegstattoos glühten förmlich auf seinem Oberkörper, was seine gefährliche Ausstrahlung noch unterstrich.
"Und die Anwendung eines Energiestrahlers gegen meinen Brückenoffizier zahle ich dir persönlich heim. Ich werde ihn dir in d.."
"Das glaube ich nicht," unterbrach Rhynja die Kommandantin.
"EVE ist groß und wir werden zu unseren Brüdern und Schwestern zurückkehren. Dort sind wir vor euch sicher."
Sie musterte die Kommandantin kurz.
"Und noch etwas ... wenn wir gleich weg sind ... rufe nicht allzu laut um Hilfe. Dies ist ein 0.4er System. Es dürften sich einige Piraten hier herumtreiben, die mit Sklavenpeitschern ein Hühnchen zu rupfen haben. In 1 oder 2 Stunden wird euch die Flugkontrolle vermissen und nach euch suchen."
Ein kurzes Nicken an ihren Bewacher - Thora flog förmlich in hohem Bogen in den Aufenthaltsraum.
"Da haben Sie sich einen scharfen Feind geschaffen, Schamanin. Kommandantin Thora - und dieser Fähnrich - ein Paar Bluthunde auf unserer Spur," wandte sich der bullige Brutor an Rhynja.
"Ich vertraue der Organisation", sagte die Schamanin.
"Wir fliehen absichtlich heute und um diese Uhrzeit. In einem der Nachbarsysteme ist nämlich eine Raumstation der Sisters Of EVE. Dort können wir auf jeden Fall docken und dürfen auch einen Überlichtspruch absetzen."
Sie winkte den Brutor zur Seite. Ein Einzelschuss der Impulsgatling verschweißte 5 Zentimeter der Tür mit dem Rahmen.
"Das sollte erst mal genügen, um sie aufzuhalten bis wir weg sind," sagte Rhynja.
"Wir legen noch je eine schwere Mine mit Funkzünder an die innere und äußere Hangartür. Zündung, wenn wir draußen sind. Die äußere zuerst, damit das Schleusentor blockiert, dann die innere - und die Kommandantin wird erst mal festsitzen, weil der Korridor entlüftet ist."
Sie erhob die Stimme.
"Los jetzt, Freunde, ab in die Fregatte der Kommandantin. Tonger zu mir in die Zentrale. Das Luxusding hat eine Servo-Doppelsteuerung und kann ohne Kapselpiloten geflogen werden."
Sie legte dem Brutor, der immer noch neben ihr stand und sie um 2 Köpfe überragte, die Hand auf den Unterarm und lächelte.
"Und du mein Freund machst das mit den Minen. Thora hat 6 Stück im A3 geladen - auf der Backbordseite. Ok?"
"Geht klar, Kommand... Schamanin," nickte der Riese und rannte los.
Rhynja seufzte und folgte ihren Feunden.
Sie hatte sich eine schwere Verantwortung auf die Schultern geladen. Der erste Schritt zur Rückkehr zu ihrem Volk war getan - aber noch waren sie nicht zu Hause.
"Aber bald," sprach sie ihre Gedanken laut aus, schleuderte mit einer heftigen Kopfbewegung die störrische Lockenpracht beiseite und sprang entschlossen in die Schleuse der Fregatte. Ihre Tattoos schienen zu glühen.
Sie war fest entschlossen, die Minmatar, die ihr folgten, nicht zu enttäuschen.
... Fortsetzung folgt ...
© Johannes Zumbansen
aka: JohnBe (2001-2007)