Zwei Flugkörper.
Keine Kennzeichnung.
Massig.
Dunkel.
Bedrohlich.
Amarr-Kreuzer der OMEN-Klasse.
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Eine Rundsiedlung.
Einfache Hütten.
Strohgedeckt, hier und da ein offenes Feuer.
Spielende Kinder auf der freien Fläche, die sich zum Fluss öffnet.
Ein paar Frauen am Wasser, mit der Wäsche beschäftigt.
Eine Gruppe Männer mit einer Viehherde im flachen, savannenartigen Grasland außerhalb des Dorfes.
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"Wird ein schöner Tag, Ronko, oder?" rief Gador einem etwa vierzigjährigen, braungebrannten Mann zu, der auf der anderen Seite der Herde ging und hängte das leichte Impulsgewehr auf die andere Schulter.
"Denk´ ich auch, Gador" rief der Mann zurück und blickte zu den entfernten Bergen.
"Die paar Wolken werden sich wohl verziehen, der Wind kommt aus der Trockenebene."
Er war leichter bewaffnet als Gador, aber der Federstahlbogen war bei meisterhafter Handhabung nicht weniger tödlich als die Energiewaffe.
"Ho - ho!" Mit lautem Rufen und Armwinken machte Ronko zwei, drei Schritte auf das Leittier zu. Der büffelähnliche Koloß starrte ihn aus trüben Augen an und schwenkte ein wenig zur Seite.
"Hey - der hört wenigstens auf dich", feixte Gador.
Ronko drohte ihm scherzhaft mit der Faust.
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"Ach, nu hab´ dich nicht so, Hagrit!" rief der Pilot des führenden Kreuzers über den Interkom.
"Diese naturverrückten Stämme sind die gesündesten Minmatar. Ich gehe mit der BERNSTEIN hinter dem Dorf runter und setze das Jagdkommando ab. Du brauchst nichts weiter zu tun, als aufzupassen, dass sie nicht über den Fluss abhauen."
Die Stimme des jungen Amarr schwankte zwischen Ärger und Beschwichtigung. Loomz hatte sich mit seinem Studienfreund Hagrit zusammengetan, um im gemeinsamer Arbeit die nagelneuen Kreuzer bezahlen zu können. Von den beiden war er der Draufgänger und auch durchaus mal für illegale Geschäfte zu interessieren.
"Na ja - aber mehr ist auch nicht drin," erwiderte Hagrit und zog die Augenbrauen hoch, was Loomz zwar nicht direkt sehen konnte, aber über den Avatar im InterKom vermittelt bekam.
"Ich habe keine Lust meine saubere Akte bei der CONCORD wegen ein paar blöder Sklaven zu versauen."
Als ambitionierter Produzent konnte Hagrit es sich nicht leisten, mit einer schlechten Sicherheitseinstufung Durchflug- oder Landeverbote zu bekommen, oder gar Kunden zu verlieren.
"Da passiert nix - keine Sorge, die haben viel zu viel Angst - wirst schon sehen," grinste Loomz jovial. "Und nun schalt´ um in Formationsflug, ich bring´ uns runter."
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Der doppelte Überschallknall ließ Gador zusammenfahren. Die Herde rannte verschreckt in mehrere Richtungen auseinander.
Der Minmatar riss den Kopf hoch. Jeder Stamm hatte gelernt, die Vorboten des Grauens zu deuten. Auf den Donner folgte auch hier der Regen - aber die Wolken waren Raumschiffe und der Regen Söldner, die sich ihr Auskommen mit dem Aufgreifen von Minmatar verdienten, die dann als Sklaven verkauft wurden.
Er schirmte mit der linken Hand die Augen gegen die Sonne ab und straffte mit der rechten den Riemen des Impulsgewehrs.
Da - etwas links vom Dorf und höchstens einen Kilometer entfernt - da waren sie! Zwei Reihen schnell sinkender Fallschirme, abgesetzt aus einem Atmosphärengleiter, der jetzt in einer weiten Kurve über das Dorf flog. Eine Salve aus der Maschinenkanone des Gleiters zog eine Linie von Wasserfontänen durch den Fluss. Schreiend und kreischend flüchteten Frauen und Kinder das Ufer hinauf. Ein zweiter Gleiter hing mit drohend ausgefahrenen Waffen über dem gegenüberliegenden Ufer. Eine perfekte Falle.
Gador blickte sich um und sah, dass Ronko mit weit ausholenden Schritten auf das nahe Dorf zulief. Gador folgte ihm einige Meter, ließ sich dann zurückfallen und duckte sich stattdessen in das in dieser Stelle fast schulterhohe Gras. Er wußte, dass Ronko seiner Familie wegen zu den Hütten rannte - er selbst war ungebunden. Er würde versuchen, als Einzelner die Sklavenjäger zu bekämpfen. Gador überprüfte die Ladeanzeige des Karabiners und wandte sich wieder in Richtung der inzwischen gelandeten Sklavenjäger.
In Gador brachen die unverbrauchten Instinkte der Minmatar durch. Durch den Adrenalinschub aktiviert, tauchten auf seinen Oberarmen und dem nackten Oberkörper die Ornamente und Symbole seiner Kriegstätowierungen auf. Die Stammestätowierung, sonst eine eher unauffällige Zeichnung, zeigte jetzt einen intensiv roten Skorpion, der abwehrbereit in seiner linken Halsbeuge in Richtung Nacken saß und den tödlichen Stachel nach vorn richtete.
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"Gruppe Jiordan - geht jetzt in Richtung Dorf. Und passt auf die verdammten Impulsgewehre auf. Da sind mindestens zwei bewaffnete Männer im Dorf."
"Okay, Sir - verstanden. Richtung Dorf und Heckenschützen."
Loomz hatte es sich nicht nehmen lassen, die Aktion selbst zu leiten. So eine kleine Treibjagd brachte Abwechslung in das eintönige Pilotenleben.
"Gruppe Relgor - jetzt am Fluss entlang einschwenken - auch Richtung Dorf. Wir haben alle im Sack und können einsammeln."
Auf einem kleinen Steinhaufen stehend blickte Loomz sich kurz um.
Sein eigener Atmosphärengleiter kreiste vor ihm über dem Halbkreis, den die Treiberkette bildete. Rechts stand wie ein Raubvogel, der bereit war auf eine unvorsichtige Beute herabzustoßen, der Kampfgleiter von Hagrit. Bisher hatte er nicht eingreifen müssen.
Plötzlich lautes Geschrei aus dem Dorf. Schwere, weitreichende Paralyseblaster jaulten auf.
Loomz fuhr halb herum - das rettete ihm das Leben. Exakt in Brusthöhe fuhr der singende Strahl eines Impulslasers an ihm vorbei und hinterließ eine scheinbar weißglühende Spur in der Luft.
"Scheiße!" Loomz ließ sich fallen und rollte von dem kleinen Steinhaufen. Durch den leichten Kampfanzug geschützt, hatte der nahe Vorbeischuss keine Verbrennungen hinterlassen.
"Verdammt, das war knapp," murmelte er.
"Achtung Gruppe Jiordan - noch ein Bandit - hinter euch. Ich hole ihn mir."
"Verstanden, Sir."
Loomz nickte. Dieser Minmatar hatte keine Chance gegen ihn. Die Kurzstreckenlaser waren ausreichend zum Schutz vor den kleinen Raubtieren des Planeten, aber sein schweres Paralysegewehr trug fast doppelt so weit. Dennoch - der Laserschütze musste sehr dicht bei ihm gewesen sein, als er gefeuert hatte. Auf diese Distanz wäre ein Treffer auf jeden Fall tödlich.
"Ich erwische dich," flüsterte Loomz und entsicherte den Paralysator.
"Ich ziehe dir ... das Fell über die Ohren und ...," Loomz robbte die Steine hinauf, "schneide die ... Tätowierungen raus."
Er blickte vorsichtig über die Kuppe.
"Erst schneid ich sie raus, dann wirst du skalpiert ... hehe."
Nichts zu sehen. Ganz langsam richtete Loomz sich zum Knieen auf.
"Mist, verdammter."
Höchstens zehn Zentimeter - entscheidende Zentimeter - fehlten, um das Grasmeer in der vermutlichen Richtung des minmatarischen Jägers überblicken zu können.
"Na gut. Jetzt."
Tief ein- und ausatmen.
"hhh - phhh."
Die Waffe an der Schulter und über den leicht gesenkten Lauf das Gelände beobachtend, richtete sich Loomz - wieder möglichst langsam - aus der Hocke auf. Sekunden später sah er keine 20 Meter vor sich den Minmatar. Den Paralysator schwenken und abdrücken war eine fließende Bewegung. Der flirrende Strahl hüllte den Minmatar ein - soweit man den im hohen Gras überhaupt sehen konnte - und die dunkle Gestalt brach zusammen.
"Sag´ ich doch," knurrte Loomz.
"Gruppe Jiordan - Bandit erledigt," sagte er dann lauter ins Helmmikrophon und stieg dabei den kleinen Hügel hinunter. Vom Dorf her waren keine Schüsse mehr zu hören. In Richtung des Minmatar gehend schaltete er auf eine andere Frequenz.
"Loomz an Gleiter Eins. Den Sammeltrupp absetzen. Alle Sklaven haben Peilsender. Einsammeln das Pack und zum Dorfplatz kommen."
Er hatte den Minmatar erreicht, der ihn beinahe getötet hätte.
"Mistkerl," sagte Loomz leise und stieß ihn leicht mit dem Fuß an. "Aber bist ein Prachtexemplar."
Er beugte sich hinunter und legt dem Minmatar eine schmale Stahlmanschette um den Hals, auf der ein kleines, längliches Kästchen befestigt war. Kaum erkennbar blinkte eine winzige Leuchtdiode rhythmisch auf und signalisierte den Betrieb des Peilsignals.
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"In spätestens zehn Minuten können wir hier abhauen, " sagte Loomz und klopfte Hagrit auf die Schulter.
"Die unbrauchbaren sind aussortiert, waren aber nur drei alte Frauen und ein Opa diesmal."
Er wies auf eine kleine Gruppe Körper, die im Schatten einer Hecke abgelegt waren.
"Und diesmal werden wir mehr bekommen als beim letzen Mal. Wahrscheinlich brauchen wir keinen Raid mehr zu fliegen. Es sind mindestens zwei schwangere Frauen dabei. Dazu ein guter Kämpfer und diese wilde Schamanin."
Er deutete in den Laderaum des rechts stehenden Schwebers, wo ein speziell ausgebildetes Mitglied des Jagdkommandos gerade die Impfpistole an den Oberarm einer höchstens 30-jährigen Frau mit einer flammend roten Mähne drückte.
"Vitoc?" fragte Hagrit.
"Na klar. Die erste Dosis - zum Angewöhnen", grinste Loomz.
Der Sanitäter der Gruppe sprang aus dem Laderaum und schloss die Luke.
"Fertig, Sir," rief er.
"Na dann los," rief Loomz," Gruppenführer - sammeln und einsteigen. Hagrit, hol die Kreuzer aus dem Orbit. Rendezvoushöhe 20.000."
Hagrit nickte und wandte sich seinem Gleiter zu.
"Also Männer - ab nach Hause," rief Loomz schaute sich noch einmal um:
Eine Rundsiedlung.
Einfache Hütten.
Strohgedeckt, zwei nur noch rauchende Ruinen.
Eine menschenleere freie Fläche, die sich zum Fluss öffnet.
Weites, savannenartigen Grasland und ein paar versprengte Tiere außerhalb des Dorfes ...
... Fortsetzung folgt ...
© Johannes Zumbansen
aka: JohnBe (2001-2007)