DIENSTAG - Vormittag
Die Biosensorik registrierte zunehmende Aktivität der vegetativen Nervenbahnen - der Adrenalinspiegel im Blut näherte sich dem Wert, der ihr bei der Feinjustierung für den momentanen Kundenorganismus als kritischer Punkt vorgegeben worden war.
Nervös kontrollierte der Pilot zum wiederholten Male die Fernortung - nichts zu sehen.
Kurzes Umschalten auf die Innenkamera des Laderaums - unauffällig.
Ein Gedanke an die Navigation (das Gedankenbild wechselte) - Geschwindigkeit 92% - schnell, aber nicht hastig.
"Hmm" brummte NormanBe - dennoch unzufrieden - in das Kapselgel.
Die Biosensorik reicherte die Gallerte mit einem leichtem Sedativum an und senkte die Temperatur um 2 Grad. Es würde einige Minuten dauern, bis die Wirkung eintrat und wahrscheinlich würde der Pilot es gar nicht merken. Im Laufe der Jahre waren die Reaktionsschwellen und Handlungsalternativen der Biosensoriken außerordentlich exakt an den menschlichen Organismus angepaßt worden und boten ein Maximum an Komfort in den engen und dunklen Kapseln.
Auch NormanBe fühlte nicht bewußt, das die Kapsel ihn umsorgte.
Den stämmigem Gallenter plagten aber auch ganz andere Sorgen als eine Hitzewelle oder Herzklopfen.
Zum einen hatte er nach dem Absolvieren der Raumakademie erst vor zwei Jahren eine Pilotenlizenz bekommen und der Kredit für die Ausrüstung seiner Navitas fraßen die geringen Gewinne aus herkömmlichen Geschäften auf.
Zum anderen mußte er - aus genau diesem Grunde - mit einem Navigator vorliebnehmen, der seine Prüfung in der Raumakademie wohl nur durch gute Beziehungen seines Vaters bestanden hatte.
"Ich muss Gil so schnell wie möglich ersetzen," dachte NormanBe, "dieser Flug müsste eigentlich genug einbringen."
Und wieder wanderten seine Gedanken zum Laderaum, wo in drei getarnten Laderäumen caldarische Schnellfeuerpistolen samt Lasermarkierern und Kisten mit Spreng-/Splitter- und Blendhandgranaten lagerten. Sehr, sehr sorgfältig hatte NormanBe eigenhändig die kleinen Scanstörer justiert und die Schweißnähte am Boden künstlich gealtert. Nachdem der amtierende Kaiser einen letzten, beinahe tödlichen Schlagfall erlitten hatte, waren die Kaiserlichen Zollinspektoren nahezu unbestechlich geworden und ein Waffenschmuggler konnte ziemlich sicher mit einer schnellen Exekution nach einem Standgerichtsurteil rechnen - wenn er erwischt wurde.
Aber - NormanBe lächelte in Gedanken - sein derzeitiger Auftraggeber hatte ihm das Beste vom Besten auf dem Gebiet der elektronischen Absicherung in den Laderaum eingebaut. Dor-Nokum war der kommandierende Flottenadmiral eines der fünf Thronfolger und offenbar dabei, eine Elitetruppe - an den kaiserlichen Arsenalen vorbei - für einen Kampf auf Kurzdistanz optimal zu bewaffnen. Ob mit oder ohne Wissen seines hochwohlgeborenen Herrn, NormanBe konnte es egal sein, Hauptsache die Kasse stimmte.
==========
DIENSTAG - Vormittag, zur gleichen Zeit
"Aaach - tung!"
Vier Stabsoffiziere in der Paradeuniform der Kaiserlichen Marine nahmen "Haltung" an.
Ein verkrampftes Räuspern - ein warnendes Hochziehen der linken Augenbraue des Führers der Wachabteilung in Richtung auf den rechten Doppelposten. Schuldbewusst nahm der vorn stehende Major das Kinn noch ein wenig höher.
Der Oberst blickte wieder geradeaus. Kleine Schweißperlen standen auf der Stirn, elend langsam und herausfordernd rollte ein Tropfen den Nacken hinab und versickerte im Hemdkragen.
Vermaledeites Protokoll - aber eiserne Disziplin und bedingungslose Treue zum jeweiligen Thronfolger kennzeichnete das Offizierkorps der Navy schon seit Jahrhunderten.
Der drahtige Offizier verzog keine Miene.
Fauchend fuhr die mehrere Zentimeter starke Panzerstahltür der Passagierschleuse auf und gab den Blick auf zwei Personen frei. Ein ungleiches Paar - etwa 25 Jahre alt der eine und gut 50 Jahre alt der andere. Der Jüngere, in einer schmucklosen Uniform mit dem Sonnensymbol des Thronfolgers auf der linken Brust trat zuerst in Korridor. Der Ältere - nach den Rangabzeichen ein Admiral der Navy, folgte ihm mit drei Schritten Abstand.
Der Oberst der Wache salutierte vor dem Thronfolger und meldete:
"Euer Exzellenz - Ehrenwache angetreten!"
"Danke, Oberst Mir-Linko," der Thronfolger erwiederte mit einer knappen Ehrenbezeugung die Begrüßung und wandte sich zu seinem Flottenadmiral:
"Lassen Sie uns direkt in den Besprechungsraum gehen, Dor-Nokum. Sind alle Stabsoffiziere versammelt? Einen Teil der Flotte habe ich beim Anflug im Parkorbit gesehen."
"Jawohl, Euer Exzellenz, mein kompletter Stab ist zur Vorbesprechung des Manövers im Planübungsraum und ihre Division ist fast geschlossen im Orbit eingetroffen. Bitte folgen Sie mir."
Thronfolger und Flottenadmiral wandten sich in Richtung Zentralsegment des Titanen, wo neben der Zentrale auch mehrere abhörsichere Konferenzräume lagen. In kurzem Abstand folgte die Leibwache.
Sie hörten belanglose Gesprächsfetzen über die Entwicklung im Kaiserreich und die bevorstehende Einsatzübung.
Niemand konnte ahnen, was der Thronfolger und sein treu ergebenes Offizierkorps unter strengster Geheimhaltung wirklich planten - und dass dies die letzte Besprechung sein würde.
==========
DIENSTAG - Abend
"Sie werden erwartet, Kommandant".
Eine attraktive Minmatar-Sklavin - NormanBe schätzte sie auf unter 20 Jahre - öffnete die Eingangstür des Gutshauses.
Der Herrensitz lag außerhalb der Stadt. NormanBe war in einem Gästezimmer des Offizierwohnblocks der Garde des Thronfolgers direkt am Rande des Raumhafens untergebracht worden und hatte mit einem Servotaxi fast 15 Minuten bis zum Anwesen des Admirals gebraucht.
"Admiral Dor-Nokum erwartet sie im Salon, " sagte die Sklavin und blickte NormanBe kurz direkt in die Augen. NormanBe hielt den Blick fest und erfasste das zarte Gesicht. Dunkelbraune, traurige Augen, lange Wimpern - hohe, ausgeprägte Wangenknochen - feines, lang fallendes Haar. Sekunden nur - ein zartes Lächeln, das die Sekunden für NormanBe zu kleinen Ewigkeiten machte - doch schon drehte sich die Sklavin um und ging auf eine Doppeltür am entgegensetzten Ende der Treppenhalle zu.
NormanBe gab sich einen Ruck und folgte ihr. Zu kurz die Möglichkeit, ihren wiegenden Gang zu genießen - schon hielt sie den rechten Türflügel des Empfangssalons für ihn offen und senkte demütig den Kopf.
NormanBe war versucht, ihr sanft über das seidig glänzende, exakt gescheitelte Haar zu streichen, aber - mal ganz abgesehen davon, dass so ein Verhalten unmöglich war - er war hier auf einem amarrianischen Herrensitz und Sklaven waren ein Teil der Einrichtung - je nach Ausbildung wertvoll, aber ohne sozialen Status.
"Kommandant Be, ich bin erfreut Sie zu sehen."
Admiral Dor-Nokum - mal nicht in Uniform, sondern in einen schlichten Anzug mit dem gestickten Wappen des Thronfolgers auf dem Revers, kam von einem Polstersessel am Fenster her auf NormanBe zu.
"Komm her, Loryn!" herrschte er im gleichen Atemzug die Sklavin an.
Loryn stand noch vor der Tür.
"Aber ..."
"Komm her!" Deutlich schwang ein Anflug von Ärger in der befehlsgewohnten Stimme.
Mit kleinen, zögernden Schritten trat die Sklavin in den Raum. NormanBe bemerkte, dass sie zitterte. Die zierliche Minmatari hatte noch keine zwei Schritte getan, da ertönte ein dunkles Knurren und zwei hochgewachsene Slaver kamen lauernd, mit anhaltendem, immer grollender werdendem Knurren hinter dem Sessel hervor.
"Fass - Prinz, Satan - fass."
NormanBe erstarrte - sah das Grinsen des Gutsherren und hörte die Krallen der Bluthunde auf dem Parkett.
Die Sklavin kreischte auf, floh blitzartig aus der Tür und warf sie hinter sich zu.
Der vordere Slaver krachte förmlich gegen das Holz und schüttelte sich kurz - die Beute war entkommen.
"Prächtig - einfach prächtig," amüsierte sich der Admiral und tätschelte die enttäuscht herantrottenden Slaver.
Er deutete auf einen Sessel der Sitzgruppe am Kamin und klopfte NormanBe gönnerhaft auf die Schulter. NormanBe zitterte vor Wut - konnte aber die Hand nicht abschütteln. Noch war das Geschäft nicht abgeschlossen.
"Was für ein Spaß. Wissen Sie, Kommandant, diese Minmatar - ganz besonders die Kleine gerade - müssen immer wissen, wer ihr Herr ist. Sie müssen immer Angst haben. Deswegen habe ich in meinen Privaträumen versteckte Minisender angebracht, die ein Neuralimplantat im Aggressionzentrum der Slaver stimulieren. Wenn die Kleine - der Aktivierungschip für die Sender steckt übrigens in ihrem Halsband - in meinen Räumen zu tun hat, weiss sie nie genau wo die Slaver sind und ob ein Sender in der Nähe ist, das macht sie kirre."
Der Admiral lächelte - NormanBe hielt sich mühsam im Zaum und seine Gedanken waren bei der hübschen Sklavin. Loryn - ein junge Minmatar mit einer Aussicht auf nichts als ein grausames Leben.
"Aber - nehmen Sie Platz - wie lange wollen Sie bleiben und wie war der Flug?"
"Ich bleibe bis Donnerstag Mittag, Admiral; der Flug hierher war ruhig. Nur eine Kontrolle unterwegs."
NormanBe und der Admiral wechselten noch ein paar belanglose Freundlichkeiten, dann kam man auf den Kern der Sache.
"Und die Spezialware?"
"Sicher verstaut. Meine MERCATOR liegt direkt zwischen zwei später gelandeten Kreuzern der Garde des Thronfolgers vor dem Haupttor des Divisions-Arsenals. Die Sichtdeckung ist also gewährleistet."
"Großartig - pünktlich um 07:00 morgen früh beginnen wir mit dem Entladen der Lebensmittel und mischen die Sonderware darunter. Ich werde persönlich dabei sein und alles überwachen. Da wir eine Einsatzübung fahren, fällt das nicht weiter auf. Einen Teil der Ladung nehme ich auch mit hoch zum Flaggschiff des Thronfolgers."
Der Admiral griff nach einer seidenen Klingelschnur neben dem Kamin. Im Vorraum ertönte ein melodischer Gongschlag. Kurz darauf öffnete sich die Tür. Sofort knurrten die Slaver warnend.
"Ruhig - Prinz, Satan - ruhig." Der Admiral kraulte die Slaver zwischen den Ohren.
Loryn blieb vor der Tür stehen und fragte nach einer tiefen Verbeugung:
"Herr - Sie wünschen?"
"Die Küche soll das Abendessen vorbereiten. Kommandant Be ist unser Gast."
"Jawohl - Herr," mit einer Verbeugung schloß die Sklavin leise die Tür.
"Niedlich und unterhaltsam, die Kleine," warf der Admiral ein. "Sie stammt aus einer Familie von Haussklaven. Die Mutter ist Kammerherrin meiner Frau und ihr Vater arbeitet als Agrarlehrer auf einer Nachbarfarm.Die kleine Minmatari besucht auf Bitten meiner Frau ein Sklavenlyzeum des Flottennachwuchses. Ich brauche für die Division des Thronfolgers immer Personal aus dem Sklavenvorrat und aus der Kleinen könnte mit der richtigen Ausbildung eine brauchbare Navigatorin werden."
"Eine ..." Ein Blitzschlag hätte nicht überraschender sein können. NormanBe´s Mund war ausgetrocknet und die Zunge wie ein Kloß.
" ... Ähmm ... Navigatorin?" NormanBe räusperte sich noch einmal. "Ähmm, Entschuldigung, Admiral."
"Ja - nicht wahr - sieht man dem kleinen Luder gar nicht an. Aber sie ist blitzgescheit im Kopf. Deswegen macht das Katz-und-Maus-Spiel mit den Hunden auch solchen Spaß."
NormanBe sah Loryn vor sich. Die dunklen, sanften Augen. Die kleine, zitternde Gestalt im Flur. Der Schrei als die Slaver angriffen.
"Ich kaufe die Sklavin," hörte er sich selbst wie aus der Ferne sagen.
"Kommandant, " lachte der Admiral auf, "Sie scherzen. Die Kleine geht seit sieben Jahren auf die Flottenschule - sie ist verdammt wertvoll. Nein - daraus wird nichts."
NormanBe war wieder in der Gegenwart.
"Alles ist bezahlbar, Admiral, " erwiderte NormanBe. "Ich überlasse Ihnen die Spezialladung umsonst im Tausch für die Sklavin."
Der Admiral beugte sich vor. Sein Blick fixierte NormanBe interessiert.
"Die Spezialladung - und die Verpflegung - alles gegen die Sklavin," sagte er lauernd.
NormanBe schüttelte den Kopf.
"Nein-nein." Er machte eine Kunstpause. Loryn mußte hier weg.
"Sagen wir ... die Spezialladung und die Verpflegung - gegen die Sklavin und gefüllteTreibstofftanks."
Der Admiral reichte ihm die Hand.
"Okay - abgemacht. Die Navigationsschülerin und Treibstoff gegen die Ladung. Ein gutes Geschäft."
"Ja - für Dich," dachte NormanBe. "Abgemacht," sagte er.
Gut gelaunt stand der Admiral auf.
"Ich setze morgen den Kaufvertrag auf, damit die Sklavin justiziabel in ihren Besitz übergeht. Und jetzt ... Lassen Sie uns ins Esszimmer gehen, junger Mann."
"Was hast du da angestellt, Norman" dachte der gallentische Händler und trottete gedankenverloren hinter dem Admiral her. "Die Ausbildung in Caille wird ein teurer Spaß werden ... "
==========
DONNERSTAG - frühmorgens, vor der Dämmerung
Aufdringlich summte der Bord-Interkom auf einem kleinen Beistelltisch neben dem Bett des Schläfers.
Dor-Nokum schreckte aus dem Schlaf. Sein Blick fiel auf den Chronometer: 5 Minuten nach Zwei. Knurrend wandte sich der Admiral zur Seite und aktivierte den Apparat: "Ja ?!" Auf dem Bildschirm erschien zuerst das Siegel von Thronfolger Khanid und dann der Adlige selbst. Dor-Nokum wurde hellwach und erfaßte sofort, dass Khanid in voller Kampfuniform vor der Kamera stand.
"Der Kaiser ist tot ... Codewort TREIBJAGD ... X minus 55 Minuten.
Oberst Mir-Linko ist bereits in Marsch gesetzt und leitet die Evakuierung der Familien."
Der Adrenalinschock betäubte Dor-Nokum beinahe - sein leerer Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen, sein Herz schlug bis zum Hals und sekundenlang starrte er blicklos auf den Monitor.
"Admiral Dor-Nokum!?"
"Hier - Euer Exzellenz." Der Admiral hatte sich gefaßt.
"Verstanden - TREIBJAGD wird ausgelöst," er blickte auf die Uhr, "Zeit: x minus 53 Minuten."
Der Thronfolger nickte und schaltete ab.
Admiral Dor-Nokum tastete eine Nummer auf dem Touchpad.
Der Bildschirm leuchtete auf und zeigte die Zentrale des Titanen und den wachhabenden Offizier der Garde des Thronfolgers.
"Codewort TREIBJAGD," sagte Dor-Nokum, "Ich wiederhole: Codewort TREIBJAGD. Zeit: x minus 52 Minuten."
Der wachhabende Offizier nickte.
"Jawohl Sir, TREIBJAGD."
Admiral Dor-Nokum unterbrach die Verbindung.
TREIBJAGD - das bedeutete, dass die lange vorbereitete, ungeheuerliche Flucht der Familie Khanid vor dem unerbittlichen Gesetz der kaiserlichen Nachfolge begann.
TREIBJAGD - das bedeutete, dass binnen weniger als einer Stunde die Fluchtschiffe der Famile des Thronfolgers und der Offiziere vom Planeten aufsteigen würden.
TREIBJAGD - das bedeutete, dass die kaiserliche Wachmannschaft des Titan in den nächsten Minuten überwältigt werden musste.
Der Admiral griff nach seiner Schnellfeuerpistole und stand auf.
Was getan werden musste, würde geschehen. Seine Treue zum Thronfolger war absolut.
Draussen auf dem Korridor peitschte ein Schuss auf ...
==========
DONNERSTAG - frühmorgens, vor der Dämmerung, 10 Minuten später
Aufdringlich summte das Haustelefon auf einem kleinen Beistelltisch neben dem Bett des Schläfers.
NormanBe schreckte aus dem Schlaf. Sein Blick fiel auf den Chronometer: 02:20 signalisierten die Leuchtziffern. "Ich glaub´ich spinne," murmelte der Gallenter verschlafen. "Sind diese Amarrianer noch ganz gescheit!?". Maulend griff er zum Hörer - und hielt inne.
Das Telefon war still. NormanBe warf einen vernichtenden Blick auf den Kasten, drehte sich um und kuschelte sich wieder unter die warme Bettdecke.
"Aaahh..." - wohlig und zufrieden rückte er das Kopfkissen noch ein wenig zurück ...
"Mister Be - aufstehen."
Eine weibliche Stimme vor der Tür, jemand pochte mit der Faust gegen die Tür.
"Mister Be ... Mister ..."
"Verdammt - ja ... ja - Moment .." fluchte NormanBe und stapfte durch das dunkle Zimmer in Richtung Tür. "Autsch ... verdorri noch mal" - ein Stiefel wurde in eine Ecke getreten.
"Ja - was gibts denn mitten in der ..." NormanBe hatte die Tür aufgerissen und hielt stocksteif inne.
Der rote Zielpunkt hatte kurz sein Auge gestreift und der Soldat in der Uniform von Khanids Gardisten fixierte ihn mit ausdruckslosem Gesicht, die caldarische Schnellfeuerpistole im beidhändigen Combatanschlag. Von rechts trat ein Unteroffizier an ihn heran.
"Mister Be - NormanBe ?!"
"Ja, das ist er," antworte die junge Minmatar - Loryn! durchfuhr es NormanBe - , die die Soldaten begleitete, bevor NormanBe etwas sagen konnte. "Ich gehöre ihm, er hat gestern meinen Vertrag gekauft." Sie wedelte mit einem Papierstück vor der Nase des Unteroffiziers.
NormanBe schluckte und nickte vorsichtig. Der Soldat hatte immer noch die Pistole im Anschlag - wohl eine aus der Charge, die er gestern erst geliefert hatte.
"Undank ist der Welten Lohn," dachte NormanBe.
Der Unteroffizier sprach ihn erneut an:
"Mister Be - verlassen Sie den Planeten - jetzt und sofort! Wir haben Ihre Sklavin hiermit abgeliefert. Noch einmal - Sie sind in Lebensgefahr und unerwünscht - starten Sie bis spätestens nulldreihundert! Hier sind Ihre Abfertigungspapiere."
Der Unteroffizier winkte dem Soldaten kurz zu und reichte NormanBe einen Umschlag mit dem Siegel der Hafenbehörde. Ein kurzer militärischer Gruß und beide verschwanden im Laufschritt.
Jetzt bemerkte NormanBe auch, dass in dem Unterkunftstrakt eine hektische Betriebsamkeit herrschte. Türen klappten verhalten, gedämpfte Stimmen riefen Befehle durchs Haus. Und irgendwarum brannte kein Licht, nur die Notbeleuchtung war eingeschaltet.
Jaulend flog ein tieffliegender Atmosphärenjäger über das Haus. Und noch einer.
"Das ist doch nicht normal," NormanBe zog die Minmatar hinter sich ins Zimmer, schloß die Tür und betätigte den Lichtschalter - auch nichts. Nur das fahle Grün des Wegweisers zum Notausgang.
Polizeisirenen in der Ferne. Zwei - Drei entfernte Detonationen tauchten das Zimmer kurz in ein schwaches Licht und liessen die Fensterscheiben zittern.
"Was passiert hier, Miss Loryn?" fragte NormanBe während er hastig seine Uniformhose anzog und ließ den Blick durchs Zimmer schweifen - wohin hatte er den Stiefel ...
"Der Kaiser ist tot," stieß die Minmatar hervor. "Und jeder weiss, dass Thronfolger Khanid nicht sein Nachfolger werden kann. Er muss sich und seinen Flottenkommandeur heute nachmittag selbst töten!"
Im Park vor der Unterkunft fielen Schüsse. Eine automatische Waffe antwortete aus einiger Entfernung. Die Kugeln rauschten durch die Bäume des Parks. Glas splitterte.
"Und ... Admiral ... Dor-Nokum," NormanBe zwängte die Füße in die Stiefel, "will nicht sterben, oder was? Und nun macht er einen Militärputsch?"
"Nein, Mister Be," Loryn verlegte ihr Gewicht unruhig von einem Bein auf das andere.
"Die ehrenwerte Familie des Thronfolgers und seine Anhänger werden fliehen." Das fein geschnittene Gesicht der Minmatar wurde noch eine Nuance dunkler - was ihr gut stand, stellte NormanBe fest.
"Ich habe ein paarmal gelauscht, wir Sklaven hatten da ein paar Einrichtungen im Herrenhaus, sie wissen schon. Auf jeden Fall - sie wollen zum Hafen und mit Raumschiffen fliehen."
"Naja, " NormanBe schloss das Koppel über der Jacke und sah aus dem Panoramafenster. Feuer und dicker schwarzer Rauch stand über der Vertretung der Zentralregierung am Stadtrand. Auf dem nahen Raumhafen herrschte ein reges Treiben. Eine Kolonne von Fahrzeugen passierte einen Seiteneingang. Schützenpanzer sicherten das Tor nach außen und hatten ihre Waffen in den Himmel gerichtet. Aus Richtung der Stadt näherten sich deutlich erkennbar Polizeischweber.
"Naja - da stehen bestimmt genug Transporter."
"Transporter?!" Loryn kicherte und warf mit einer Kopfbewegung das Haar zurück. Das Sklavenhalsband glänzte matt im grünlichen Licht der Notbeleuchtung.
"Transporter, Mister Be? Der neue Kaiser würde sie abschiessen wie Enten. Nein - sie werden mit den Kreuzern der Garde fliehen - und den Titan des Thronfolgers mitnehmen!"
NormanBe´s Kopf ruckte herum.
"Den Titan ...?"
Die Schützenpanzer am Raumhafen gaben kurze Feuerstöße ab. Die Scheiben klirrten. NormanBe und die Minmatar stürzten ans Fenster. In einer Flammengarbe zerplatzte einer der inzwischen herangekommenen Polizeischweber. Die Explosion beleuchtete kurz eine Gruppe schwarzer Kampfgleiter der Geheimpolizei, die dem Feuerball auswichen.
Eine neue Salve peitschte aus den Rohren der Schützenpanzer, Leuchtspurgeschosse griffen nach den Fluggeräten. Eine Rakete wurde irgendwo in dem Pulk gestartet und raste genau auf die Panzer zu.
NormanBe wandte sich ab und blickte Loryn an.
"Wir verschwinden hier, Miss Loryn, und zwar schnell. Und - das verdammte Halsband ab machen wir so schnell wie möglich ab! Sie werden für mich arbeiten - aber nicht als Sklavin."
Ein Blick auf den Zeitgeber - 02:40.
"Was hat der Soldat gesagt - 0300?!"
NormanBe eilte an den Schrank und stopfte seine wenigen Habseligkeiten in eine Transporttasche ...
==========
In einem Pulk von etwa 20 Personen - Gardisten aller Dienstgrade der Garde des Thronfolgers - standen NormanBe und Loryn auf der offenen Ladefläche eines Lastenschwebers. Mit hoher Fahrt steuerten sie über das Vorfeld des Raumhafens auf den militärischen Teil des Geländes zu.
Inzwischen waren mehrere Fregatten der Garde in der Luft und sicherten den Luftraum gegen die Schweber der Geheimpolizei. Die lokale Garnison der Kaiserlichen Truppen stellte bereits nach der ersten Angriffswelle keine Gefahr mehr dar - obwohl sie noch einen Notruf nach Amarr abgesetzt hatten und mit Sicherheit mindestens ein Kampfgeschwader des alten - vorstorbenen - Kaisers auf dem Weg ins dieses System war.
Loryn hatte schnell begriffen, dass dieser gallentische Kaufmann, der sie erworben hatte, ihr die weitere Ausbildung finanzieren wollte, wenn sie anschließend für ihn arbeitete.
Ihr langes Haar flatterte im Fahrtwind und umspielte das Gesicht. Der junge Kaufmann lächelte sie an und nickte ihr kurz zu. Sie lächelte zurück.
Er hatte sie gekauft und schon mehrfach gesagt, dass sie jetzt frei wäre. Sie verstand das noch nicht, denn wie ihr bisheriger Herr würde Mister Be sie unterbringen und versorgen - wo war der Unterschied? Loryn griff an ihr Halsband. Wenn es von einem Feinschmied entfernt würde - dann wüßte niemand, dass sie Mister Be gehörte. War es das, was der Kaufmann "Freiheit" nannte?
Das starke Schlingern des bremsenden Schwebers riss sie aus ihren Gedanken. Der Fahrer schaltete kurzerhand das tragende Feld ab und die Maschine rutschte die letzten Meter kreischend und funkensprühend über den Plastikbeton.
Männer und Frauen wurden gegeneinander geworfen und widmeten dem Fahrer einige deftige Flüche.
"Los, runter, wir sind da" kommandierte ein bärtiger, verwegen aussehender Sergeant aus Richtung des Führerhauses.
NormanBe kletterte schnaufend kurzerhand über die Bordkante direkt vor ihm und sprang ab.
"Los, Miss Loryn, die Taschen rüber!"
Zwei Reisetaschen flogen NormanBe entgegen. Ungeschickt fing er eine auf, die andere klatschte neben ihm zu Boden.
"Verd...! Nun kommen Sie schon, Miss!" NormanBe hatte die Tasche abgestellt und fuchtelte mit den Armen.
Loryn flog im förmlich in die Arme. NormanBe spürte ihren Körper und eine flammende Röte stieg in sein Gesicht.
"Nehmen Sie ihre Tasche," herrschte er die Minmatari ungewollt scharf an, "und dann los!"
Die Gardisten rechts und links neben ihnen verteilten sich auf die beiden Kreuzer, NormanBe und Loryn hetzten auf die vor ihnen stehende Fregatte zu. Der Navigator hatte im Schiff geschlafen und winkte ihnen bereits aus der offenen Luke zu.
"Zwei Uhr fünfundfünzig," keuchte NormanBe, "Wir sind gut in der Zeit. Jetzt nur noch heil aus dem System kommen."
==========
"Ein majestätischer Anblick," dachte NormanBe, während er die MERCATOR mit Höchstfahrt vom Planeten wegsteuerte.
"Schaut hin," sagte er über die Bordsprechanlage, "da wird Geschichte gemacht. Ich habe noch nie gehört, dass ein Thronfolger sich widersetzt hätte. Dieser Khanid ist ein Teufelskerl. Versucht doch glatt mit seiner Division dem neuen Imperator durchzubrennen. Wo die wohl hinwollen, im Imperium können sie sich nicht mehr sehen lassen."
Nachdem der auffällig markierte Kreuzer von Thronfolger Khanid im Spezialhangar des Titan verschwunden war, hatte sich das gewaltige Schiff in Richtung eines der beiden Sprungtore aus dem System im Bewegung gesetzt. Da die zu erwartende Verfolgerflotte bislang nicht eingetroffen war, bildete die Gardedivision noch eine kugelschalenförmige Abwehrformation um den langsam beschleunigenden Titan ihres Kommandeurs.
"Wir machen, dass wir hier wegkommen, Leutz," sagte NormanBe, "wenn die Kaiserliche Flotte ankommt wird´s ein mörderisches Hauen und Stechen geben."
Er setzte Kurs auf das andere Sprungtor und während das Warptriebwerk warmlief, schickte er eine Lehrgangsplatzanfrage
an das Raumfahrtinstitut auf Caille ...
© Johannes Zumbansen
aka: JohnBe (2001-2007)