Nothelfer

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XTrader selektierte das Sprungtor und wählte "Annäherung". Sein Gedankenbefehl schob den Geschwindigkeitsregler in die vorderste Stellung. Die Kameradrohne zeigte die glühenden Partikelströme, die aus den Felddüsen tosten und hinter dem Schiff eine lange, bläulich-grüne Wirbelschleppe zurückließen.
"Jetzt aber los," dachte er. Die Station wanderte langsam nach links aus dem Erfassungsbereich der Kameradrohne. Er richtete sie nach vorn, auf das Sprungtor. Eine optische Kontrolle auf eventuelle Verfolger brachte bei der zunehmenden Entfernung nichts mehr, er verließ sich jetzt lieber auf sein Radar.

Nichts zu sehen. Eigentlich verwunderlich, denn die Scanner, die er dem Stationskommandanten verkauft hatten, waren zwar intakt, aber sie würden ihm bei der Suche nach Nocxium in diesem System kaum behilflich sein. Der Asteroidengürtel des Systems lag zu dicht an der dritten Sonne, einem braunen Zwerg. Und dessen Strahlungsspektrum störte bei zu großer Annährung den Zydrine-Schwingkreis. Auf der Station hatten die Scanner funktioniert - natürlich. Schrott verkaufte XTrader nicht. Das war gegen seine Ehre als Händler.

Und es war gegen die Ehre der Caldari, übervorteilt zu werden, selbst wenn die Ware als solche in Ordnung war..


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BOOMPA, BOOMPA, BOOMPADABOOMPA ... Beat im 140er Tempo dröhnt durch den Raum, hämmert auf die Körper der Anwesenden, läßt den Brustkorb vibrieren, betäubt die klare Wahrnehmung, treibt den Adrenalinspiegel hoch ...

BOOMPA, BOOMPA, BOOMPADABOOMPA ... Laserblitze irrlichtern durch die wirbelnden Rauchschwaden, Stroboskope feuern Lichtkaskaden auf ein gutes Dutzend Pärchen, die sich auf der Tanzfläche drängen ...

BOOMPA, BOOMPA, BOOMPADABOOMPA ... in zwei erhöht stehenden Käfigen im Publikum winden sich Tabledancerinnen, stöhnen lasziv in ein Kehlkopfmikrophon, streichen über die verschwitzten Körper, heizen mit rhythmischen Beckenbewegungen die Phantasie der Männer an, baden in den gierigen Blicken der Anwesenden ...

Phedaikin riß den Blick von der fast nackten, rot-blonden Hexe im Käfig vor sich los und schaute wieder in die anomyme, brodelnde Masse, die sich in der Bar aufhielt. Fast ausschließlich Männer - nur wenige Frauen, an ihren Uniformen als Pilotinnen zu erkennen - saßen an den kleinen Tischen oder an der langen Theke. Dazwischen eilten leichtgeschürzte Serviererinnen mit kleinen Tabletts hin und her, schlenderten Prostituierte aufreizend durch die Gänge. Mindestens zwei Mitglieder des Sicherheitsdienstes der Station standen an der Wand, Kopfhörer im Ohr und Mikro am Hemdkragen befestigt, eine Hand betont lässig am Schlagstock. Phedaikin ging davon aus, dass mindestens vier weitere Bereitschaft in irgendeinem Hinterzimmer schoben, was bei dem Klientel dieser Raumstation auch nur zu empfehlen war.

Er befand sich zur Zeit auf einer Station des Intaki-Syndikats. Hier hatte jeder Zutritt und gleichzeitig die Verpflichtung, den "Burgfrieden" zu wahren. Man traf hier ehrliche Frachtpiloten und Bergleute, konnte aber auch Attentäter anwerben oder den nächsten illegalen Warentransport absprechen. Ein Schmelztiegel der Völker und Berufe. Eine explosive Mischung, ständig kurz vor dem Siedepunkt, gelegentlich mit Messerstechereien oder Schußwechseln überkochend. Dann hatte man den Eindruck, als ob der Sicherheitsdienst nur darauf gewartet hätte, mit allen Mitteln gegen das Pack vorgehen zu können.

Phedaikin grinste und rückte das Egon etwas zurecht. Der Betreiber der Bar war ihm verpflichtet und hatte ihm einen Einzeltisch neben einer Nische gegeben, von wo eine mit einem Zahlenschloß gesicherte Wartungstür in die Luftschächte führte. 28-12-62 rekapitulierte er - im Notfall konnte er schnell verschwinden. Seine Anwesenheit mußte nicht publik werden, auch wenn er mindestens zweimal in der Woche hier hereinschaute. Auf diese Weise ließ sich das Angenehme mit seinem ständigen Auftrag verbinden - Informationen sammeln.

Sein Egon war eine Sonderanfertigung und auf Mikrometerwelle mit einem starken Richtmikrophon verbunden, dass vor ihm lag - eingebaut in die Hülle eines Impulsgebers für Sicherheitsschlösser. Seitlich neben der Bühne sitzend, konnte die Elektronik die brutal laute Musik beinahe ausblenden, wenn eine menschliche Stimme erkannt wurde und die Filter sich darauf eingestellt hatten. Phedaikin spielte mit dem "Schlüssel", drehte in langsam von Tisch zu Tisch. Die Lautstärke hatte er minimal gestellt, diese Dauerbedröhnung wollte er sich nicht antun.

Gesprächsfetzen wurden direkt in sein Gehirn übermittelt.
"... schau dir die Blonde an ... "
"... morgen Vormittag, ja spätestens gegen Mittag ..."
"... das ist Betrug, unter 50.000 geht da garnichts ... "
"... ja meinSüßer, 120 ISK und du darfst auch ..."
"... Munition ist dabei ..."
"... X-Trader, ja gut, erledigen wir ... "
Phedaikin zuckte zusammen. X-Trader, damit konnte nur seine Gesellschaft, die X-Trading Company, gemeint sein. Er blickte in die Richtung, aus der die Aufnahme erfolgt war und hielt das Mikrophon ruhig, damit die Filter sich auf die Stimmen einpegeln konnten. Drei Männer steckten dort die Köpfe zusammen, zwei von ihnen trugen einfache Pilotenoveralls. Die wichtigsten Steckbriefe des CONCORD kannte Phedaikin, von den Dreien war keiner dabei.

"Morgen 0830 zischen wir hier los," sagte der kleinere Pilot, ein Minmatar. An seiner Fliegerkombi fehlte das Gesellschaftsabzeichen.
"Das Ziel kommt aus Richtung Gallente. Wir fliegen ihm ein System entgegen, damit die Intaki Ruhe halten. Kein Problem, Chef," ergänzte der zweite, dem Typ nach ein Caldari, auch er gehörte scheinbar keiner Gesellschaft an.

"Freischaffende Künstler," murmelte Phedaikin, "Schweinebande."

"Seid um 1100 wieder hier, dann erfolgt die Restzahlung."
Die beiden Piloten nickten und ihr Gesprächspartner schob ein kleines Päckchen über den Tisch.

"Speed oder sowas," schoss es Phedaikin durch den Kopf, "die knallen sich die Birne vor der Jagd zu, ich fass es nicht."

"Gut. Ich bin wieder weg - hab noch einen Job zu erledigen. Morgen wird Gamma hier sein mit dem Geld. Ihr kennt sie nicht, aber sie wird euch finden. Also - pod-kill, macht ihn fertig." Der Typ, der das Päckchen überbracht hatte, grüßte flüchtig und ging Richtung Ausgang. Die beiden anderen blieben sitzen und widmeten ihre Aufmerksamkeit wieder einer der Tänzerinnen.


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"Doch John, bestimmt," sagte Phedaikin und blickte in die Aufnahmeoptik.
"Die beiden sagten ´X-Trader´. Wenn du keinen Transport auf dem Dienstplan hast, kann es nur ein Pilot von RESOURCE sein. Die EDENITES sind im Moment in diesem Sektor nicht aktiv."
Phedaikin hob resignierend die Hände.
"Aber zu Mahtrok komme ich nicht durch. EVE spielt mal wieder verrückt. Der elektro-magnetische Sturm erreicht Spitzenwerte."
Er wandte sich an die dritte Person der Konferenzschaltung.
"Dann musst du eben auf gut Glück eine Kampfgruppe in Marsch setzen, MadAngel. Ich fliege morgen hier um um 0800 los und bin um 0810 bei euch. Wie gesagt, es sind zwei, ein Minmatar und ein Caldari. Ich hab mir die Schiffe angesehen, zwei schnelle, mittelgrosse Fregatten, von außen keine zusätzlichen Waffentürme, aber schwere Kaliber in den vorhandenen."

"Hast du deine Spezialausrüstung an Bord?" fragte MadAngel.

"Ja klar," erwiderte Phedaikin. "Die werden sich wundern, was sie auf dem Radar noch sehen können."

"Also gut - bis morgen Phed, ich werde sehen, wer in deiner Nähe ist. Der ranghöchste wird wie immer das Kommando haben, bitte führe sein Anweisungen aus."

"Kein Problem," erwiederte Phedaikin, "er soll mir ein Ziel angeben und ich mache den Rest. Ciao, Kameraden."


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Mit einem hohlen Seufzer liefen die Sprungtriebwerke aus. Im gleichen Moment baute sich vor Phedaikin das Hologramm des Schiffes wieder auf; die Kameradrohne hatte nach dem Sprungtordurchgang automatisch ihre alte Position eingenommen und begonnen, Bilder zu übertragen.

"Alle Systeme 100%," meldete sich der Bordcomputer.
"Zeit?" fragte Phedaikin.
"0815" antwortete der Bordcomputer.
"Fast pünktlich," dachte Phedaikin. Ein schwerfälliger Transporter amarrianischer Bauart hatte vor ihm das Sprungtor länger als erwartet blockiert. "Lahme Enten, aber schwer zu knacken", fügte er in Gedanken hinzu. "Erst mal in Deckung", sagte er sich, und liess den Bordcomputer Kurs auf einen nahegelegenen Asteroiden nehmen. Während des Anfluges startete er das Tarnmodul.
"Hier Phedaikin - wo sind die unerschrockenen Helden, ich sehe euch nicht", fragte er über den Staffelkanal. Er schaltete das Radar höher.

"Hier Helios - deine Richtung ist gut, flieg weiter," kam die Antwort,"gleich siehst du uns, unsere Tarnung ist schwächer als deine."

Phedaikin beobachtete das Radar. Hinter dem Asteroiden war eine Ansammlung weiterer Gesteinsbrocken aufgetaucht und darin - darin flackerten zwei Echos auf. Als ob das Radar mal ein Echo auffassen konnte und dann wieder nichts.
"Hehe, hab euch, Jungs," sagte Phedaikin, "Moment, ich komme rüber."
Er markierte einen Asteroiden neben den Geisterechos und wählte "Annäherung".

Mit geringerer Entfernung wurde das Radarbild besser. MadAngel hatte Helios und Pasakel geschickt, zwei gut trainierte und aufeinander eingespielte caldarische Kampfpiloten.

Phedaikin schob sich zwischen die beiden Fregatten der BANTAM-Klasse.
"Ihr könnt eure Tarnung aufheben, aber lasst die ECM-Einrichtungen weiterhin warmlaufen, wahrscheinlich werden wir sie sofort brauchen, " sagte er, "und den Scanstörer lasst aktiv weiterarbeiten. Man kann nie wissen."

Lautlos trieb die kleine Kampfgruppe zwischen den Asteroiden. Das Sprungtor lag im äussersten Drittel der Radarrreichweite, weit genug weg, um jeden Sprungvorgang sofort ausmachen zu können, aber auch weit genug weg, um den Tarnschirm voll wirksam werden zu lassen.

08:37 - in den Gittern des Sprungtores waberte ein diffuses Leuchten auf, sprang mit enormer Lichtentwicklung von der Kontrollstation bis über den vorderen Rand hinaus und entfaltete dort, von den letzten Konstruktionselementen des Gitters gebändigt, in einer bizarren, blau-weissen Blüte die Öffnung des küstlichen Wurmlochs. Kurz nacheinander schossen zwei Schiffe heraus.

Phedaikin beobachtete sein Radar. Eine Minmatar-Fregatte vorweg und eine caldarische direkt dahinter. Sekunden nach dem Wurmlochdurchgang schien sich ein Schleier über die Radarechos zu legen: ein Tarnschirm, nicht besonders wirkungsvoll, aber ausreichend, um sich zumindest kurzfristig zu verbergen.

"Sie sind da," sagte er, "wie erwartet nur zwei. Wahrscheinlich könnt ihr sie nicht sehen. Die beiden haben einen leichten Tarnschirm um sich liegen. Ruhig bleiben, mein Tarngenerator-Detektor zeigt beide deutlich an."

"Ok," sagte Helios, "Pasakel und ich schalten unsere Steuerung auf Kommandomodus. Wenns losgeht, führst du uns bis kurz vors Ziel. Bei 5.000 gibst du uns frei. Dann übernehme ich. Pasa - mitbekommen? Du bleibst zuerst auf Kommandomodus zu Phed, danach schaltest du um auf mich. Wenn wir einen erledigt haben, hast du freie Jagd auf den anderen."

"Alles klar, "erwiderte Pasakel, der selbst die Befähigung zur Flottenführung noch nicht zu 100% erlernt hatte, aber ein Spezialist für den Projektilwaffeneinsatz war. (Bei der X-Trading Company gehört das Training "Flottenführung" zur Ausbildung aller Angehörigen der Abteilung DEFENCE und natürlich auch zur Ausbildung der Agenten der INTELLIGENCE, da diese im Kampfeinsatz kommandoberechtigt sind ).

Eine halbe Stunde verging... die beiden Attentäter hielten Distanz vom Sprungtor. Helios und Pasakel schauten aus Gewohnheit immer wieder auf ihre leeren Radarschirme - gelegentlich sprangen Steuerdüsen an, um die mit Schaltung in den Kommandomodus eingenommene Position im Wing zu halten.

09:15 - eine gleißende Helligkeit sprang im Sprungtor auf - das Wurmloch bildete sich und schleuderte einen Einzelfahrer zurück in das Einstein-Universum. 5 Piloten analysierten die Hologramme ihrer Anzeigen, 5 Kapseln registrierten den Adrenalinschub und das plötzliche Ansteigen der Herzfrequenz der ihnen anvertrauten Piloten.

"Das isser...," platzte Phedaikin heraus, "... aber ..."

"Das ist kein X-Trader," ergänzte Helios, "der Bursche heisst XTrader! Was hast du da bloss wieder gehört, Phed?!"


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XTrader orientierte sich nach den Sprungtordurchgang.
"Noch ein Sprung und ich kann aus diesem Gelee-Aquarium hinaus", dachte er. Die Intaki-Station, die er anflog, war im letzten Jahr seine zweite Heimat geworden. Durch ihre freie Politik gegenüber allen Völkern des EVE-Universums war ihr Stationsnachrichtennetz eine unerschöpfliche Quelle ungewöhnlicher und oft lukrativer Aufträge.
Gelegentlich auch risiko-behafteter, wie der letzte. XTrader grinste, als er an den Leiter der caldarischen Station dachte, der völlig intakte, aber in seinem System unbrauchbare Scanner gekauft hatte.

Er visierte erneut das Sprungtor an und wählte das Zielsystem. Da schien achteraus der Weltraum aufzureißen. Zeitgleich erwachte sein Radar zu hektischem, rot flackerndem Leben. Aus dem Nichts waren zwei schwere Kampfraketen erschienen, die offenbar Kollisionskurs steuerten. Dann ein kurzes Flackern des Radarbildes und die zugehörigen Schiffssymbole erschienen, blutrot, Unheil verkündend.
"Tarnschirm", durchzuckte es XTrader, "und gleich zwei Fregatten. Das wird heikel."

Die Attentäter hatten aus gutem Grund abgeschaltet. Sie brauchten jetzt alle Energie für die schweren Fernwaffen. Übergangslos schlugen die ersten, großkalibrigen Energiestrahlen in XTraders Schirm ein. Die Belastungsanzeigen schnellten weit nach oben.

XTrader fluchte.
"Mist, verdammter. Die wollen es wissen, was haben die denn für Laser an Bord, und nur zwei Raketen bei einem Caldari?" Er schaltete das Triebwerk ab und leitete fast alle Energie in den Schirm. In fliegender Eile schaltete er die größere Fregatte auf, die versuchte, seinen Schirm zu zerstören. Eine CONDOR - ein caldarisches Schiff.
... und Raketen aktivieren ... Feuer.
Ein kurzer Blick mit der Kameradrohne auf das eigene Schiff bestätigte den Abschussvorgang.
... und neues Ziel - die anfliegenden Kampfraketen ... aufschalten ... Turmwaffen aktivieren ... Nahbereichsabwehr wählen ... und ... Feuer!
Ein flirrendes Netz aus Leuchtspurgeschossen griff nach den anfliegenden Raketen und verfehlte sie um einige hundert Meter.

"Oh Mann," stöhnte XTrader, "das gibts doch nicht!"


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"Die schweren Laser des Caldari werden seinen Schirm aufbrechen," stellte Helios fest. "Danach wird der Minmatar mit Kurzstreckenwaffen angreifen und ihn zerstören."

Der Sektorfunk knackte und eine neue Stimme war zu hören:
"Hier XTrader. Brauche Hilfe - werde nahe Sprungtor von zwei Killern angegriffen. Schilde fast zerstört. Wenn mich jemand hört - ich brauche sofort Hilfe am Sprungtor."

"Also los, Phed," entschloss sich Helios, "die X-Trader helfen diesem ominösen XTrader. Die beiden Killer gehören zu keiner anderen Gesellschaft - also keine Vertragsverletzung zu befürchten. Tarnung weg und full speed. Blase den Killern das Radar zu."
"Ach ja - Kommandoschaltung bleibt stehen," befahl Helios zusätzlich. "Wenn sie uns stören, kannst du am besten sehen."

"Yepp," erwiderte Phedaikin, "und release bei 5000. Auf geht's."
Ein Gedanke liess den Tarnschirm zusammenbrechen. Die caldarische Fregatte hatte er schon Minuten vorher aufgeschaltet. Und Vollgas.

Die X-Trader brachen im Verband aus dem Asteroidengürtel hervor und nahmen Kurs auf die CONDOR. Gleichzeitig krachten die beiden schweren Kampfraketen in XTraders geschwächten Schirm. Die erste explodierte im Schirm, der mit einem letzten Aufzucken zusammenbrach. Die zweite traf das Schiff seitlich und riss die Triebwerkssektion beinahe ab. Das Wrack spuckte Feuer und Rauch, eine Rettungskapsel war nicht zu sehen, das Schiff war zwar waidwund, aber noch flugfähig.

Jetzt war der Minmatar am Zuge. Die RIFTER flog einen tangentialen Kollisionskurs. Deutlich waren die Abschüsse der Bordkanonen zu sehen. Aber ebenso deutlich zogen die Bahnen der Geschosse am Ziel vorbei.

Der caldarische Killer hatte von XTrader abgelassen und versuchte, trotz der von Phedaikin eingeleiteten Störmassnahmen, mit seinen schweren Lasern einen Treffer zu erzielen. Fliehen konnte er nicht, da seine Sprungtriebwerke gestört wurden.

"Elektronische Störmaßnahmen laufen," sagte Phed, "Energie noch für 1 Minute. Release in 30 Sekunden ... 20 ... 10 ... jetzt."

Der Computer löste die Formationsschaltung und Phedaikin bremste scharf ab - er wollte keine Bekanntschaft mit den schweren Lasern der caldarischen Fregatte machen - auch wenn der Pilot im Moment kein scharfes Zielbild hatte - selbst Zufallstreffer würden schweren Schaden anrichten.

Helios und Pasakel jagten auf Parallelkurs der CONDOR entgegen. Unabhängig vom Volksstamm - Killern keine Chance! 10 Sekunden vor dem Abbruch der elektronischen Gegenmassnahmen, bei optimaler Auslöseentfernung 2.500, entfesselten sie gleichzeitig alle Waffensysteme in einem Alphaschlag gegen den Killer. Laser schlugen übergangslos in den Schirm der elektronisch blinden Fregatte, Hochgeschwindigkeitsraketen mit EMP-Gefechtsköpfen rasten auf grellen Flammenlanzen gradlinig aus den Abschussschächten und die mittelschwere Gatling jeder X-Trader Fregatte jagte mit einem sägenden Geräusch eine Geschosswolke 30mm HEIT-Geschosse (high-explosive icendiary tracer, Sprengbrand / Leuchtspur) in Richtung des Ziels. Mit dem ersten Raketeneinschlag schalteten Helios und Phedaikin die Laser ab.

Helios zwang die beiden BANTAMs in eine 360°-Kurve. Ein Alpha-Schlag, erst recht, wenn er von zwei Schiffen ausgeführt wurde, war in der Regel immer tödlich für das angegriffe Schiff.
Hinter Ihnen zerriß die schlagkräftige Mischung aus Raketen und Geschossen die angegriffene Fregatte. Die ausgestossene Rettungskapsel interessierte Helios und Phedaikin nicht: X-Trader sind keine Mörder.

"ECM jetzt aus," rief Phedaikin," passt auf, der Minmatar trifft wieder mit jedem Schuss."

"Pasakel, Formation lösen, freie Jagd," befahl Helios.

"Na endlich," brummte Pasakel, "wurde auch Zeit." Er nahm Kurs auf die RIFTER und liess bereits auf maximale Entfernung die ersten Salven in den Schirm des Gegeners krachen, um ihn zu stören. Helios folgte Pasakel, um notfalls eingreifen zu könne - obwohl das bei Pasakel nicht zu erwarten war.
Doch der Minmatar wollte zuerst seinen Auftrag erfüllen. Die letzte Salve aus seinen Kanonen traf XTrader mit jedem Geschoss und dessen Schiff reagierte binnen Sekunden mit einer gewaltigen Explosion.

XTraders Leben in der winzigen Rettungskapsel hing jetzt an einem seidenen Faden, das war Pasakel und dem Minmatar in der RIFTER klar. Immer noch hatte der Minmatar XTrader aufgeschaltet und versuchte jetzt, die Rettungskapsel zu treffen.

Ein verhängnisvoller Fehler, denn Pasakel hatte - seinem Spezialauftrag bei den X-Tradern entsprechend, seine Fähigkeiten zum Einsatz von Prokektilwaffen und schwierigen Flugmanövern maximiert. Mit tödlicher Präzion arbeiteten Vorhalt- und Flugrechner in seiner BANTAM zusammen. Die glühenden Finger der Leuchtspurketten aus seinen Bordkanonen griffen erbarmungslos und exakt nach dem Minmatar und liessen ihn nicht mehr los. Schwerste Entladungen rasten durch den Schirm der RIFTER. Jetzt hatte der andere Pilot erkannt, dass ein fähiger Jagdpilot ihn im Visier hatte. Aber zu spät, um das Blatt noch wenden zu können. Weder der zusammenbrechende Schirm noch die Panzerung konnten dem unablässigen Geschoßstrom wirklich etwas entgegensetzen.

Auch dieser Killer endete wie sein Kumpan in einer gleichmässig expandierenden Gas- und Splitterwolke, vom Tod nur durch die Panzerwand seiner Kapsel geschützt. Pasakel dejustierte den Vorhalterechner und jagte eine Leuchtspurgarbe dicht an der Kapsel vorbei.

"Ein freundlicher Gruss von den X-Tradern," murmelte er.

"Pasa - lass den Scheiss, keinen Pod-Kill," ermahnte ihn Helios, "Pasa und Phed - aufschliessen. Danke für eure Hilfe."

Dann wandte er sich an XTrader, dessen Kapsel in wenigen Minuten - wenn sie mit ihrer Spürausstatung den Weg zur nächsten Heimatbasis gefunden hatte, selbständig den Kampfplatz verlassen würde:
"Hey XTrader, ich nehme mal an, du hast gesehen, werd dir geholfen hat: die X-Trading Company. Ich meine, wer sich XTrader schimpft, sollte bei den X-Tradern fliegen - hilft übrigens auch gegen diese Art von Überraschungen - meistens jedenfalls."

"Ich habs gesehen und werde es mir überlegen. Mal sehen, ob mir euere Gesellschaft gefällt. Bisher war ich lieber freier Händler."

"Bei uns bist du auch relativ frei," sagte Phedaikin, "du gehörst zwar zu einer Abteilung, kannst aber die Aufträge erfüllen, die du möchtest. Nur wenn es um Staffelbelange geht, wird dein Abteilungsleiter dich auffordern, an einer gemeinsamen Aktion im Rahmen der Abteilung mitzumachen. Fordere unsere Informationen auf der nächsten Station ab, ich werde dich freischalten."

"Mach ich," erwiderte XTrader, "vielleicht schreibe ich mich bei euch ein. Und wenn ich erstmal da bin, wird XTrader der Präsident der X-Trading Company."

© Johannes Zumbansen
aka: JohnBe (2001-2007)