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Vor 5 Jahren

Die tiefstehende Sonne blendete ihn. Langsam drehte er den Kopf. Versuchte, die Objekte genauer zu erfassen. Machte zwei, drei tänzelnde Schritte auf die Beute zu und verhielt wieder. Duckte sich. Seine Silhouette verschmolz mit der Steingruppe, zwischen deren Geröllbrocken er sich auf halber Höhe in den Schatten drückte.

Mit dem Wind trieb der Geruch herüber. Menschliche Ausdünstungen, Schweiß, Ammoniak - Angst. Sie bewegten sich langsam am Rande des Hohen, Gelbbraunen auf ihn zu. Provozierend langsam. Aber stetig. Ihre Geräusche waren leise, sie hatten ihn noch nicht gesehen. Dann würden sie laut werden - in alle Richtungen laufen - zwecklos, sein Ziel hatte er noch niemals verfehlte. Die Erinnerung an den letzten Fang trübte seine Wahrnehmung nur sekundenlang, reizte die Speicheldrüsen.

JETZT.
Er trat aus dem Schatten, stand sekundenlang im Sonnenlicht gebadet - eine zum Zerreißen gespannte Kampfmaschine aus Muskeln und Sehnen - dann war da nur grelles Licht, ein Ansatz von Schmerz und ...


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Daron sicherte das Impulsgewehr, schaute noch einmal durch die Zieloptik auf den zuckenden Kadaver des Slavers und schaltete ab. Das leise Summen der Kühlung erstarb. "Mistvieh", brummte er und lenkte sein Pferd in Richtung der Gruppe Minmatar, die sich beim Aufblitzen des Schusses zu Boden geworfen hatten.

"Nun los, kommt wieder hoch," schrie er in ihre Richtung und schwenkte das Gewehr. "Auf - hoch - weiter, weiter - nun los doch!". Er gab dem Pferd die Sporen, dass es mit einem Satz lossprengte und in einen kurzen Galopp fiel. Mißtrauisch um sich blickend standen die Sklaven auf, griffen wieder zu ihren Werkzeugen und fuhren fort, den Zaun auszubessern.

Daron blickte mißmutig zu der Steingruppe direkt am Rande des Weizenfeldes, in Richtung eines kleinen Gehölzes. Ein idealer Anstand für einen Slaver. Das Tier hätte sicherlich mehrere der wertvollen Sklaven getötet, bevor sein Jagdinstinkt erloschen wäre. Sein Vater hätte ihm deswegen noch mehr Vorwürfe gemacht, als er es ohnehin schon tat. Ständig hielt er ihm vor, was seine großer Bruder schon für die Getreidefarm geleistet hatte, zeigte ihm die Pläne des neuen Bewässerungsprojektes, das Aaron als nächstes in Angriff nehmen wollte. Nannte ihn einen Träumer und Nesthocker, weil er sich mehr um die Buchführung kümmerte und davon träumte, die Felderträge selbst auf dem Raumhafen umschlagen zu können, anstatt sie dem Fürsten abtreten zu müssen.

Darons Blick schweifte über die Ebene, die sich zur Linken öffnete, das Herrenhaus in einiger Entfernung und noch weiter, im flirrenden Glast der Nachmittagssonne undeutlich erkannbar, der finstere Klotz des Fürstensitzes, Stein gewordener Herrschaftsanspruch eines amarrianischen Feudalherren. Er seufzte. Nein, das war zwar seine Heimat, aber sie war ihm nicht vertraut. Auf dem Gut seiner Eltern drängte sein Bruder Aaron ihn ständig in die Enge, verstand es nur zu gut, sich beim Vater beliebt zu machen. Und auch die eingesessenen Kaufleute der Gilde in der kleinen Stadt am Fuße der Festung ließen ihn deutlich spüren, was sie von einem jungen aufstrebenden Neuling hielten.

Sehnsüchtig starrte Daron einem Orbitshuttle von InterBus nach, der vom nahen Raumhafen mit hell singenden Triebwerken schräg aufwärts in den Himmel jagte. Ein lange gereifter Entschluß brach sich seine Bahn in Daron. Noch heute würde vor seinen Vater treten und ihm seine Entscheidung vortragen. Ab dem nächsten Monat würde er auf die Raumakademie gehen. Er würde ein freier Händler der Amarr werden.

"Yahooo," rief er begeistert und richtete sich im Sattel auf. Erneut fiel das erschreckte Pferd in einen kurzen Galopp und erneut lagen die Minmatar unterwürfig im Staub. Daron schüttelte den Kopf. Eigentlich sollten die Sklaven seines Vaters wissen, dass sie von seinem "mißratenen" Sohn noch nie etwas zu befürchten gehabt hatten.


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Heute

"Mann, was ein Dreck. Nie wieder... nie wieder." Ein sattes, schmatzendes Geräusch, als der Raumstiefel aus dem knöcheltiefen Morast gezogen wurde. Ein nicht minder sattes Quatschen, als der nicht gerade gertenschlanke Morastgänger den Fuß wieder aufsetzte. Keuchend ging der Atem unter dem Helm. Die Sichtscheibe beschlug. Die Gestalt im Raumanzug knurrte verzweifelt und wütend.
"Igitt ... und ... verdammt", der Mann griff haltsuchend nach einer Mangrovenwurzel, als sein Füße wegrutschten. "Fall´ ich noch in diese Scheisse hier ... oh Mann ... sag ja nichts, dahinten."

Die Gestalt, die sich etwa 2 Meter hinter dem Fluchenden befand, überragte diesen um mehr als eine Kopflänge. Sie bewegte sich gleichmässig durch den Mangrovendschungel, kein Vergleich zu den ruckartigen Gehbewegungen des durch einen Raumanzug behinderten Vorangehenden. In der rechten Hand trug sie einen Koffer und eine Art Stange. Den linken Arm hatte sie angewinkelt an den Körper gepresst, ein aktivierter Abstrahlpol irisierte bläulich in der Handfläche. Mit gleichbleibendem Summen hoben die Servomotoren die Beine aus dem Schlick und schoben den "COMBAT-10 Guardian" weiter vorwärts. Seine hoch entwickelten Sensoren prüften ständig die Umgebung und den Untergrund auf mögliche Angreifer. Die Methanatmosphäre behinderte ihn in keiner Weise.

ChrisBe hatte ein kleines Vermögen für den Militärroboter bezahlt, die Ausfuhrpapiere hatten auch einiges gekostet - soweit sein Vater JohnBe sie nicht anfertigen konnte - aber die Ausgaben hatte sich bisher bezahlt gemacht. Er hatte dank des Kampfroboters schon einen Anschlag überlebt und auch die eine oder andere Verhandlung zu seinen Gunsten entschieden. Nicht jeder Geschäftspartner bleibt ruhig, wenn ein voll aktivierter Guardian unaufdringlich am zugewiesenen Bereitschaftsplatz im Konferenzraum steht und absolut jeden Lidschlag auf eine Gefahr für seinen Herrn hin analysiert.

"Menno - wie weit denn noch," rief er ins Mikrofon.

"Noch 100 Meter", antwortete der Guardian über Funk, "Richtung 11 Uhr, ein kleiner Wasserlauf, da ist die Nestgruppe."

ChrisBe schnaufte. Nach Rückfrage bei seinem Vater hatte Sturmfalk, der Leiter der Ausbildungsabteilung der X-Trading-Company, ihm diese letzte Prüfungsaufgabe gestellt. 20 Eier vom Hängenden Langarm sollte er besorgen. Eigenhändig. The Shaver, einer der Programmierer der Company, hatte in seinem Beisein dem Guardian ein Protokollprogramm überspielt, um die Durchführung auch nachweisen zu können.

"Achtung, Sir," kam die Stimme des Guardian über den Helmfunk,"da sind sie."

ChrisBe verhielt im Schritt. Etwa 50 Meter vor ihnen schlängelte sich ein Wasserlauf durch das Dickicht der Luftwurzeln. An den niedrigen, weit über das Wasser hinausragenden Ästen der am morastigen Ufer stehenden Bäume schienen bizarre Kinderschaukeln im Wind zu schwingen. Die Hängenden Langarme. "Ich sehe kein Nest," flüsterte ChrisBe, obwohl man seine Stimme außerhalb des Raumanzuges nicht hätte hören konnen.

Der Guardian wies auf eine Mangrove mit besonders hohen Luftwurzeln.
"Unter dem Stamm, Sir, zwischen den Wurzeln."
Im Innenraum, den die Stelzwurzeln bildeten, war säuberlich ein Nest eingeflochten. Und in der Mangrove daneben ebenfalls. Jetzt, wo er wusste, wie sie aussahen, entdeckte ChrisBe mindestens 5 Gelege in den Bäumen vor Ihnen. "Das reicht," sagte er. "Keinen Impulsstrahler verwenden nur die Nadler mit den Betäubungspfeilen sind zugelassen."

ChrisBe hatte vor der kleinen Expedition von der Naturschutzgesellschaft, die diesen Urwald pflegte und die Expeditionen zu den Langarms genehmigte, diese speziell präparierten Nadler erworben - und eine langstielige Greifzange, um die Eier aus den Nester nehmen zu können. "Höchstens 5 pro Gelege entnehmen," hatte der Wärter dazu gesagt.

Seitlich neben der Mangrove stehend führte ChrisBe die lange Stange mit dem Greifer zwischen den Wurzeln zum Nest hoch.
"Mach den Koffer auf, hier kommt Nummer 1," sagte er. Der Guardian betätigte den Öffnungsmechanismus des Transportkoffers und hielt ihn so, dass ChrisBe das Ei leicht in die Ausfräsung im Schaumstoff legen konnte. Die Eier waren beinahe ihr Gewicht in Nocxium wert. Keines würde ihm zerbrechen - diese Blöße würde er sich nicht geben.
"Die Burschen bleiben ruhig," sagte er und schaute zu den Langarmen hinüber, die alle immer wieder - am hakenförmigen Schwanz hängend - mit den langen Armen blitzschnell in das Wasser unter sich griffen und geschickt Fische erbeuteten. "Die sind beschäftigt, soll mir recht sein."

Die eigentliche Aktion dauerte keine 10 Minuten.
"Und nun den ganzen Weg zurück ... oh Gott", maulte ChrisBe. "Welche Richtung zum Rangerstützpunkt?"
Der Guardian hob den Waffenarm und zeigte auf einen imaginären Punkt in der grau-grünen Mauer, die sie umgab.
"Diese Richtung, Sir. Angemessene Gegner: keine. Steigung 0%. Untergrund 90% Wasser ..."

"... sei still," befahl ChrisBe," ich weiss selber wie die Gegend hier ist. Pass lieber auf den Koffer auf und achte auf die Richtung."


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"Wenn ich mir vorstelle, wie ChrisBe durch den Dschungel geklettert ist", grinste TheShaver und hob sein Glas. "Auf sein Wohl!"
Auch Xonea, der Lagerverwalter der X-Trading Company hob sein Glas.
"Auf ChrisBe - und seinen Schatz."

"Wann kommt er denn," fragte The Shaver und blickte suchend auf die große Anzeigetafel an der Wand des Casinos.
"Mit dem InterBus Shuttle 3117 von Theruesse IV, der ist schon im Dock - und wenn man vom Teufel spricht ... - HEY CHRIS, HIER SIND WIR," übertönte Xonea den Lärm im Casino.
"HOI - X-TRADING COMPANY," gab ChrisBe in gleicher Lautstärke zurück.

Einige Gäste schauten irritiert zu der kleinen Gruppe hinüber und stiessen murmelnd und mit den Fingern deutend ihren Nachbarn an, als sie den COMBAT-10 Guardian sahen, der hinter seinem Herrn herstapfte.
"Hey, keine Haustiere hier," wurde ChrisBe angemault, aber er kannte diese Sprüche.

"Kannst du dein Spielzeug nicht stillegen?" fragte Xonea.
"Absolut nein, sorry," erwiderte ChrisBe.

TheShaver wandte sich an die Maschine.
"Identifikation: TheShaver, Programmierer, X-Trading Company. Bestätigen."
"Identifikation positiv und bestätigt."
"Ausführen Programm LonglimpControl, Unterprogramm Report."
"Wird ausgeführt. Bitte stecken Sie eine Speicherkarte ein."

The Shaver steckte eine Speicherkarte in die Ausgabeeinheit und grinste ChrisBe an: "Na, warste im Rangerstützpunkt einkaufen, oder warste draußen?"

ChrisBe grinste zurück, "Ich war draußen, achte drauf!"

"Datenübertragung beendet," meldete der Guardian und TheShaver nahm die Speicherkarte wieder an sich.

"Na dann lass mal sehen," sagte Xonea zu ChrisBe.

"Koffer auf den Tisch legen und öffnen" wies ChrisBe den Roboter an. Der hob den Transportkoffer auf den Tisch und öffnete das Schloß. Die Schalen schwangen auf und man sah die 20 Eier säuberlich in den dafür vorgesehen Vertiefungen liegen.

Das Stimmengewirr schwoll kurz an, die Umsitzenden wußten genau, welcher Handel da vor ihren Augen getätigt wurde.

"Zumachen," bedeutete ChrisBe dem Guardian, und an die beiden anderen gewandt: "Der Koffer hat eine Kühlvorrichtung. Ich schätze, noch 5 Tage hat die Ware die beste Qualität. Also Xonea - dein Koffer - reich´ den Scheck rüber. Guardian, den Koffer an Xonea aushändigen."

Xonea nickte. "Scheck nicht, aber ich verfüge über das Firmenkonto. Hier - gib mal deine Personalnummer ein, dann buche ich die Summe auf dein Konto."
Er schob ChrisBe einen Handheld über den Tisch hinüber. Der tippte die Zahlen ein und schob den kleinen Rechner zurück.
"Jetzt du Xonea, aber mach genug Nullen hinter die erste Ziffer."

TheShaver grinste: "Macht er, keine Bange. Ich werte die Daten aus und dann ist deine Ausbildung beendet und du erhälst den Rang X-Trader, ChrisBe."

"Darauf trinken wir - Prost", rief ChrisBe.

Kaum hatten sie die Gläser abgesetzt, da trat ein Amarrianer an ihren Tisch. Er hielt respektvoll Abstand von dem Guardian.

"Mein Name ist Daron, hallo allerseits. Darf ich mich dazu setzen?"

"Nichts dagegen," sagte TheShaver und rückte zur Seite. "Was gibt´s denn?"

"Also - ich habe vor kurzem mein Pilotenpatent gemacht. Habe also die wichtigsten Skills und kann fliegen. Das ist das eine. Und das andere..."
Daron schaute unsicher in die Runde.

"Na los doch, " ermunterte ihn Xonea.

"Das andere ist, ich habe schon von eurer Gesellschaft gehört. Naja - und so habe ich Shaver seit einige Tagen nachspioniert, um herauszufinden, wo ihr euch trefft."

Xonea grinste Shaver an.

"Na toll, " sagte der. "Und ich hab´s nicht bemerkt."

"Also: könnt ihr noch einen Neuen gebrauchen, ähhhh... einen Amarrianer, und was muss ich noch lernen?"

TheShaver schaute Daron an.
"Also, Daron, ich bin im Aufsichtsrat. Ich kann Mitglieder aufnehmen. Was du lernen müsstest ist ganz einfach gesagt. Du gehst zunächst in unsere Ausbildungsabteilung, die X-Akademie. Da lernst du alle Skills, die du auf der Pilotenschule nicht gelernt hast, die aber für den Langstreckenflug wichtig sind. Das sind 6 Stück. Durch diese Akademie müssen alle unsere neuen Piloten, damit sie die gleiche Ausgangsbasis für unsere Abteilungen mitbringen."
TheShaver nahm einen kräftigen Schluck.
"Also, die Abteilungen sind COMMERCE, RESOURCES und DEFENCE. In welche Richtung willst du denn überhaupt, was hast du gelernt, wo kommst du her?"

Daron schluckte. "Naja, also ich habe zu Hause die Bücher geführt und bin als Kaufmann ausgebildet worden. Und ich komme aus der Zentralregion, von den großen Getreideplaneten, wir haben da eine Farm und ... was ist denn?"

Xonea hatte einen hochroten Kopf und hustete sich die Seele aus dem Leib. ChrisBe klopfte ihm auf den Rücken. Xonea winkte ab und krächzte:
"Du kannst nicht nur da landen, ihr habt sogar eine Farm, das heisst Zugang zum zentralen Getreidemarkt?"

"J-ja," stotterte Daron verblüfft, "ja, aber wir müssen an den Fürsten verkaufen, wir haben keine Kontaktperson, besser gesagt, wir hatten vor 5 Jahren keine, als ich weggegangen bin."

TheShaver hob schon wieder sein Glas.
"Hehe - ein Zugang zum Getreidemarkt von Amarr. Du bist aufgenommen Daron - morgen meldest du dich bei Sturmfalk und lädtst dein erstes Skilltrainingsset. Männer - ein historischer Tag - wir haben alle 4 Völker bei den X-Tradern.
HOI X-TRADER und nochmal und zusammen:
HOI X-TRADER."

Er reichte Daron die Hand.

© Johannes Zumbansen
aka: JohnBe (2001-2007)