Langsam schob sich der riesige Frachtraumer an den im Licht der Sonne gleißenden, tonnenförmigen Rumpf der Cahoona-Presse heran. Um den Traktorstrahl ankoppeln zu können, musste die Argon-TL in Richtung Längsachse des Dockingports manövriert werden - keine leichte Aufgabe für den Navigationsoffizier, aber Johan DeBeers hatte für diesen Flug einen Meister seines Faches gebucht.
"... und HALT!" kommandierte Ga Gasogu.
Das Raunen der Maschinen erstarb, um kurz noch einmal hörbar zu werden, als der Navigator mit leichtem Gegenschub die ohnehin geringe Fahrt auf Null reduzierte. Die A-TL ELEFANT lag jetzt querab genau vor dem Stern der 5 Dockingports.
Der nächste Schritt war eine Drehung auf der Hochachse, um der Station das Heck zuzuwenden.
"Steuermann vorbereiten: Heck 90 Grad Backbord, Bug 90 Grad Steuerbord, Leistung 10% auf mein Kommando."
Der Steuermann bestätigte und seine Finger huschten über die Kommandotastatur.
"Wendung vorbereitet, Sir."
"Prüfung Abstand zum Stationsmittelpunkt!"
"Abstand dreitausendfünfhundert unverändert, Sir."
Ga Gasogu nickte und beobachtete die Instrumente auf seiner Kommunikationskonsole.
"10% Leistung - jetzt!"
In Bug- und Heckabschnitt des riesigen Frachters begannen erneut die Maschinen ihr machtvolles Lied. Die Querstrahlruder waren zwar kleiner ausgelegt als die Vortriebskraftwerke, aber Millionen Tonnen "nur zum Mavörieren" zu bewegen war ein nicht zu unterschätzender Kraftaufwand.
Johan DeBeers fühlte das leise Zittern der gesamten Schiffszelle. Langsam bewegte sich die Cahoona-Presse aus dem Bereich der Frontscheiben zur Seite. Vor Johan DeBeers geistigem Auge stand deutlich das fast 1500 Meter von der Station aufragende Dockingsegment und das darauf zuschwingende, gut 500 Meter ausladende Heck seines Raumers.
Johan DeBeers spürte seine Nervosität steigen - aber Ga Gasogu zog nur eine Augenbraue leicht hoch und spitzte die Greiflippen seines Rüssels. Seine flinken schwarzen Äuglein huschten über die Kontrollinstrumente.
"Steuermann - Nullschub! Heck 90 Grad Steuerbord, Bug 90 Grad Backbord - 5% - jetzt!"
Die Aussensichtmonitore bestätigten die langsamer werdende Drehbewegung, Johan DeBeers nickte anerkennend in Richtung des Boronen.
"... und HALT!" kommandierte Ga Gasogu.
Wieder erfolgte zunächst das Aussetzen der Maschinen, dann der genau dosierte Gegenschub, um die Drehbewegung endgültig zum Stillstand zu bringen.
"Gut so!"
Johan DeBeers blickte kurz auf seine Instrumente und schaute dann zu Ga Gasogu.
"Mister Gasogu, bitte nehmen Sie die Station in Schlepp. Dann langsame Fahrt Richtung Sprungtor Nord."
"Aye, aye, Sir - Station ankoppeln und dann Richtung Nordtor" wiederholte der Borone die Anweisung. Mit seinen zarten Fingern justierte Ga Gasogu die Zielerfassung der Traktorstrahlanlage und wisperte ein kaum hörbares "jetzt", als alle Einstellungen seinen Erwartungen entsprachen.
Ein hochfrequenter, singender Ton durchdrang unüberhörbar das gesamten Schiff und ein flirrendes, meterstarkes Energiebündel stand plötzlich zwischen dem Heck der A-TL ELEFANT und dem Dockingport der Cahoona-Presse. Blaugrüne Entladungsblitze zuckten zwischen den energetisch gekoppelten Giaganten hin und her.
'Immer wieder faszinierend', dachte Johan DeBeers und beobachtete das Schauspiel.
"Steuermann – Energie auf den Hauptantrieb" ordnete Ga Gasogu jetzt an, "5% und alle 60 Sekunden weitere 5% bis maximal 30!"
"5% alle 60 Sekunden bis maximal 30" wiederholte der Steuermann und führte den Befehl aus.
Dunkel grollend lief das Haupttriebwerk an. Das Abschleppen einer Station war kein alltäglicher Auftrag für die Crew der A-TL ELEFANT und so standen auf allen Decks kleine Gruppen vor den Aussensichtmonitoren und versuchten, endlich eine Bewegung der Station auszumachen.
"10 Prozent" gab der Steuermann an.
Johan DeBeers warf einen kurzen Blick auf die Geschwindigkeitsanzeige. Eine grüne Null leuchtete ihm entgegen. Noch hielt die ungeheure Ruhemasse der Station die A-TL ELEFANT unbeweglich an ihrem Liegeplatz. Aber das würde sich ändern!
"20 Prozent"
Quälend langsam verstrichen die Sekunden. Jetzt spürte Johan DeBeers ein leichtes Vibrieren der Bodenplatten in der Zentrale und das Triebwerksgeräusch schien aufdringlich zu werden.
"Schiff bewegt sich." Ga Gasogu begann die Melodie eines boronischen Liedes zu summen. Seine Fühler wippten im Rhythmus dazu und er grinste den Kommandanten an.
Johan DeBeers grinste zurück und klopfte den Takt der Melodie mit den Fingerspitzen. 'Sieh mal an,' dachte er, 'die Fischköppe haben auch nur Nerven ...'
"Klappt ja wunderbar," sagte er laut und an den Boronen gewandt, "dann bringen Sie uns mal durch's Tor."
"Durch's Nordtor, aye, aye Sir," nickte Ga Gasogu bestätigend und Johan DeBeers beschloss, einen kurzen Rundgang durchs Schiff zu machen, denn der Anflug zur Sprungposition würde mit dem Koloss am Schlepptau mindestens eine Stunde dauern.
"Mister Gasogu – Sie haben die Brücke" übergab er formell das Kommando an den Navigationsoffizier und wandte sich Richtung Schleuse.
"Achtung – Kommandant verläßt Brücke" verabschiedete ihn ebenso formell der Borone.
'Ein guter Tag,' dachte Johan DeBeers, während mit einem leisen pneumatischen Zischen die Doppelschleuse hinter ihm zuglitt.
© Johannes Zumbansen
aka: Johan DeBeers (1999-2019)